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Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Herbert Schröger , Katharina Gerwens
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»Verschwendung, der hat echt von Verschwendung geredet? Ich glaub’s ned! Wissen S’, was Verschwendung ist? Dass diese Bildhauerin bei mir nebendran, dass die einen Staatspreis nach dem andern kriegt und immer wieder geehrt wird für ihre grauslichen Skulpturen. Ja, die weiß gar ned mehr, wohin mit all dem Geld … Aber bei der ist es dann Kultur, und für Kultur kann man Geld rausschmeißen, aber wenn da so eine arme Mitbürgerin, die keine Verwandten mehr hat und nach der kein Hahn kräht, also wenn so eine wie die Malwine hinterrücks umgebracht wird, dann wird kein Cent ausgegeben, um den Mörder zu fassen!« Er hustete vor Wut und behauptete dann kühn: »So ein Kurarzt, der hat doch noch nie eine Tote gesehen, der kennt doch gar ned die Sprache der Gewalt. Sicher hat der nur festgestellt, dass die Brunnerin hin ist, und dann schnell Herzversagen aufgeschrieben – aber warum hat ihr das Herz versagt? Des ist doch die Frage!«
    »So sehe ich das auch«, stimmte ihm Franziska zu. »Wir könnten eine Privatobduktion anordnen, aber die kostet Geld.«
    »Wieviel?«
    »Mit tausend Euro kann man da schon rechnen.«
    »Ha, die nehm ich doch von meinen Steuergeldern«, triumphierte Adolf. »Die vom Innenministerium ham mir nämlich für dies Jahr einen Sachkostenzuschuss von zweitausend Euro genehmigt, und von dem hab ich noch nix verbraucht. Weil ich so ein sparsamer Depp bin und immer denk, ich muss für unseren verschuldeten Staat sparen. Den Zuschuss, den ruf ich dann ab – und bis dahin streck ich das Geld vor. So viel ist mir die Malwine allemal wert. Und wie geht’s jetzt weiter?«
    Franziska, die den Polizeiobermeister an dieser Stelle eigentlich hätte aufklären müssen, dass so ein Sachkostenzuschuss wohl kaum für eine Obduktion verwendet werden durfte, sah ihren Kollegen Bruno kopfschüttelnd am Schreibtisch sitzen und wusste: Wäre der vor knapp zwei Stunden ans Telefon gegangen, hätte er den Schmiedinger Adolf samt all seiner Bedenken abgewürgt und sich vermutlich nicht einmal den Anlass des Anrufs genauer angehört. Und sie hätte nichts von dem Gespräch erfahren.
    Jetzt erst recht, dachte sie trotzig und schlug ihrem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung vor: »Wenn das so ist, stelle ich auf meine Verantwortung eine Verfügung zur Privatobduktion aus und setz mich mit unserem Gerichtsmediziner in Verbindung. Auf Herrn Wiener ist Verlass. Wenn da irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist – Gustav Wiener wird es herausfinden. Ich denke, es ist am besten, wenn er direkt ins Klinikum Passau fährt. Immerhin sind die Kollegen aus Passau für diesen Fall zuständig. Ich würde mich darum kümmern, dass die sterblichen Überreste der Frau Brunner auch tatsächlich dorthin gebracht werden. Was halten Sie davon?«
    »Ja, das ist gut, dankschön.« Er seufzte. »Wenn sie die Malwine bloß ned vorher verbrennen. Weil, dann ist alles zu spät.«
    Noch am gleichen Nachmittag wurde der Leichnam in einen Zinksarg gelegt und durch ein Beerdigungsunternehmen von Bad Griesbach nach Passau überführt.
    Er hatte sie noch nie zu Hause angerufen, was vor allem daran lag, dass er eine absolut romantische Vorstellung vom Heim anderer Menschen hatte. Er rief so gut wie niemanden zu Hause an. Geborgen stellte er sich die Feierabende der anderen vor: wenn man heimkam, und da war schon jemand und hatte Licht gemacht.
    Dr. Gustav Wiener selbst hatte nie ein solches gemütliches Zuhause besessen, und je älter er wurde, desto mehr idealisierte er das Heim der anderen, stattete es mit weichem Licht, warmen Räumen und der Gewissheit des Behütetseins aus.
    Während seiner spärlichen Freizeit zappte er sich in seiner lieblos eingerichteten und ungemütlichen Wohnung per Fernbedienung durch die Werbespots sämtlicher Fernsehprogramme. Einzig dort gab es heile und glückliche Familien.
    Jetzt saß er in der Cafeteria des Passauer Klinikums und starrte ihre Karte an. Mit grünem Filzstift hatte sie darauf vor sechs Stunden ihre privaten Telefon- und Handynummern notiert und ihn eindringlich gebeten: »Rufen Sie mich sofort an, immer und zu jeder Zeit.« Aber was hieß das schon? Konnte er sie auch jetzt noch anrufen? Um zehn Uhr abends?
    Er hatte sich drei Stunden lang mit der Leiche beschäftigt, und dabei war ihm klar geworden, dass nun die gesamte Brunnerfamilie durch seine Hände gegangen war: erst der Sohn Hermann, dann Hermanns Vater Hannes und nun auch die Mutter. Einzig der Ehemann von Malwine
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