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Sei mein Moerder

Sei mein Moerder

Titel: Sei mein Moerder
Autoren: Volker Ferkau
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kein Beinbruch, Kleines. Und die Sache mit Dennis ... Nun, darüber weiß ich nichts.«
    Sie stieß ihn von sich. »Du lachst mich aus.«
    »Nein, warum sollte ich?«
    »Weil ihr alten Leute nicht kapiert, wie das ist, wenn man sich verliebt.«
    »Nein?« Mark zog den Stuhl zurück, Marlies setzte sich wieder und Mark sich ihr gegenüber an den winzigen Tisch. »Als ich deine Mutter kennenlernte, ging es mir auch so wie dir. Ich konnte Tag und Nacht an nichts anderes denken. Ich wollte sie immerzu küssen und sie im Arm halten. Ich konnte nicht mehr richtig schlafen und Hunger hatte ich auch nicht mehr. Mama erzählte mir später, ihr sei es auch so gegangen. Und wenn ich heute daran zurückdenke, war es nicht nur die schönste Zeit, sondern auch das schönste Gefühl, das ich in meinem Leben erlebt habe. Meistens erlebt man es ein paarmal, und das kann auch noch sein, wenn man steinalt ist wie Gandalf, glaube mir.«
    Sie seufzte. »Und warum holst du uns nicht zurück, wenn du Mama so liebst?«
    »Weil immer zwei darüber entscheiden. Weiß Dennis, wie du für ihn empfindest?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Siehst du, aber deine Mutter und ich – wir wissen es. Deshalb darfst du träumen. Mama und ich träumen nicht mehr. Aber wer weiß ... vielleicht ...«
    Nun machte sie ein ernsthaftes Gesicht. »Ja, vielleicht. Immer dieses vielleicht. Das sagt Mama auch immer. Vielleicht ...«
    »Das Leben von Erwachsenen ist manchmal ganz schön kompliziert, Kleines. Viel beschissener als eine Fünf in Mathe.«
    »Lass das nicht Mama hören. Du weißt, wie sehr sie dieses Wort hasst.«
    Er blinzelte verschwörerisch. »Wartet sie auf dich?«
    Marlies nickte. »Sie ist zu Hause. Ich bin mit der U-Bahn gekommen.«
    »Dann lass sie nicht warten. Wir können jederzeit telefonieren.«
    Marlies leerte die Flasche und rülpste herzhaft.
    Mark begleitete sie in den Flur und stellte sich so hin, dass sie nicht ins Wohnzimmer und zur Terrasse blicken konnte, wo die Därme eines Hundes im Wind baumelten. Sie küssten sich, dann war sie verschwunden, wie ein frischer Wind, der sein Herz gestreift hatte, wie eine milde Brise der Liebe.
    Er schloss er die Haustür und erstarrte.
    Während er mit Marlies gesprochen hatte, war er da gewesen. An seinem Haus. Ganz nahe. So nahe, dass man ihn fast hätte riechen können.
    Der geheimnisvolle Briefschreiber.
    Im Kasten lag ein Umschlag.
     
     
    Er riss die Tür auf, rannte hinaus, suchte, sicherte, sein Blick hetzte umher, doch die Straße war verlassen. Der milde Spätsommerwind trieb einige Blätter über die Gehwege, Autos glänzten im späten Licht. Alles wirkte vollkommen normal, dennoch war während des Gespräches mit Marlies jemand an seiner Haustür gewesen und hatte einen Brief eingeworfen, dessen Umschlag Mark sofort erkannte, denn er hatte dieselbe Größe wie der erste Brief. Er ging zurück ins Haus, und noch bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, öffnete er den Umschlag.
     
    Verehrter Herr Rieger,
    ich hoffe, Sie haben den ersten Schock überwunden. Vermutlich überlegen sie, ob sich das alles um einen Scherz handelt. Ich jedenfalls würde so denken. Nein, es ist kein Scherz.
    Ich erwarte, dass Sie morgen früh Ihre übliche Joggingstrecke gehen, vielleicht auch humpeln. Falls Ihre Schmerzen zu groß sind, nehmen Sie ein Sedativum. An der ersten Parkbank mit der Aufschrift ‚Spende der Deutschen Bank Berlin’ befindet sich ein Mülleimer. Dort hinein werfen sie Ihre Zehen, gut verpackt in eine Tüte, die Sie in diesen Umschlag stecken. Danach gehen Sie wieder nach Hause und legen Ihre Amputation ruhig. Eine endgültige Abheilung, falls sie genau am Gelenk geschnitten haben und keine Arterie verletzt wurde, dauert ungefähr 10 Tage.
    Ich gehe davon aus, dass Sie die Polizei nicht informieren. Sollte man mich fassen, wird dennoch eine der Personen sterben. Dafür habe ich gesorgt. Schließlich hat man Freunde, nicht wahr?
    Es wird nicht lange dauern, und ich werde Ihre freundliche Zustimmung akzeptieren.
    Der erste Auftrag folgt dann umgehend.
    Nun wünsche ich Ihnen einen schönen Abend und hoffe, Sie werden nicht allzu viel Schmerzen leiden. Andererseits ist Ihnen als Psychologe bekannt, dass Schmerzen die Seele reinigen.
    Mit besten Grüßen
    Ihr unbekannter Freund
                                  

4
     
    Es gab keinen Ausweg, soviel war klar.
    Mark fasste es nicht. Wohin war der Briefeschreiber so schnell entflohen? War Marlies ihm
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