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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition)
Autoren: Jeanne Woodtli
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routinierten, irgendwie anmutigen Bewegung um. Er betrachtet das Publikum einen Moment lang, schliesst dann die Augen, scheint sich zu konzentrieren und greift in die Saiten. Er beginnt zu spielen, zu singen. Seine Stimme ist dunkel und rau, Alys erkennt sie wieder, im Radio gehört.
    Er scheint voller Energie zu sein. Jede Bewegung verrät das, die kleinen, die grossen, die Art, wie er in die Saiten greift, tanzt, von den Fussballen auf die Zehenspitzen wippt und wieder zurück, mit dem Mikrofonständer spielt. Selbst wenn er ruhig dasteht, scheint eine Energie von ihm auszugehen, pur, elektrisierend, auf seine Bandkollegen übergehend, die jeden Einzelnen im Publikum erfasst.
    Er ist einer dieser Männer, der auf schlaksige Art trotzdem männlich wirkt, mit Schultern und Oberarmen, die auch ohne viele Muskeln danach aussehen als könnten sie eine Frau festhalten und beschützen. Seine Kleidung ist schlicht, schwarze Röhrenjeans, dunkelblaues Hemd, schwarze Lederjacke, weisse Chucks.
    Der erste Song ist zu Ende, das Publikum klatscht begeistert. „Vielen Dank“, sagt Eliot Wagner. „Guten Abend, schön habt ihr Euch vom Regen nicht abhalten lassen, oder soll ich sagen, Schnee?“ Er deutet ein Schaudern an und das Publikum lacht. „Ich bin Eliot Wagner und wir sind ‚the Bad Bats’“ Er legt eine Hand ans Mikrofon. Johnny Cash kommt Alys in den Sinn, der jedes Konzert mit „Hello, I’m Johnny Cash“ eröffnet hatte.
    Eliot Wagner lächelt ein schelmisches Lächeln, dann stimmt er den nächsten Song an. Alys fühlt, wie ihr Körper den Rhythmus aufnimmt, sie tanzt und wirft einen Blick zu Mascha. Ihr scheint es ebenfalls zu gefallen, sie strahlt zurück.
    Eliot zwinkert seiner Bassistin zu, wippt auf den Fussballen auf und ab. Dann kommt der Refrain, der etwas langsamer ist. Er schliesst die Augen und konzentriert sich ganz auf die Musik, den Text oder auf sich selbst. Dann blickt er auf und sein Blick trifft Alys.
    Etwas Seltsames geschieht mit ihr. Sein Blick versetzt ihr einen Stich. Dann breitet sich Wärme in ihrem Bauch aus und von da aus in ihrem ganzen Körper.
    Seine Augen sind dunkelbraun und irgendwie warm. Warm - das einzig richtige Wort für den Ausdruck in seinen Augen. Einen Augenblick lang hält sein Blick sie fest und das Gefühl verstärkt sich. Was ist das? Dann schaut er weg und der seltsame Moment ist vorüber. Das Gefühl aber bleibt. Alys blickt sich um, durcheinander , ist es jemandem aufgefallen? Nein, scheinbar nicht, Janosch tanzt, ziemlich lebhaft, Mascha wispert auf ihren Verehrer ein.
    Alys aber fühlt sich komisch, wie aus dem Gleichgewicht geraten, dabei steht sie auf festem Boden, die Absätze ihrer Stiefel sind flach und sie hatte erst einen Gin Tonic. Am Alkohol kann es nicht liegen.
    Was war das? Sie blickt auf, ihre Wangen sind heiss. Sie blickt ihn wieder an und das Gefühl ist immer noch da. Alys studiert sein Gesicht, weil ihr nichts anderes übrig bleibt. Sie scheint ihren Blick nicht davon abwenden zu können. Er hat interessante Züge, nicht unbedingt schön, aber irgendetwas darin fesselt sie. Um die Augen verraten erste Fältchen, dass er ein paar Jahre älter ist als sie. Anfang, Mitte 30 wahrscheinlich. Ein klein wenig erinnert er sie an den jungen Johnny Cash, bevor ihn die Drogen vorzeitig altern liessen. Vielleicht liegt es an dem entschlossenen Kiefer oder weil er sein Haar ähnlich trägt und es fast die gleiche Farbe hat. Vielleicht liegt die Ähnlichkeit am Mund, der eigensinnig geschwungen und trotzdem sinnlich ist.
    Eliot Wagner hat Charisma. Eine ganz eigene Art von Charme, selbstbewusst, unbekümmert. Und er stellt etwas mit Alys an, wogegen sie sich nicht wehren kann. Oder wehren will.
    Sie fühlt eine Hand um ihre Taille, reisst ihren Blick von diesem Gesicht los, beinahe ertappt. Es ist Janosch. Schuldbewusst lächelt sie ihn an und lässt seine Hand, wo sie ist. Er scheint nichts zu bemerken, lächelt zurück. „Er ist gut“, sagt Janosch. Sie schluckt. War ihr Mund schon den ganzen Abend so trocken? Sie wünscht sich einen weiteren Gin Tonic, vielleicht wird sie damit dieses komische Gefühl los, einfach ertränken, wegwaschen mit Gin, der auf der Zunge brennt.
    Janosch wartet offensichtlich immer noch auf eine Reaktion. Gut, hatte er gesagt. Sie versucht ein Lächeln. „Ja, er ist gut“.
    Das Konzert nimmt seinen Lauf und Alys fühlt sich seltsam fehl am Platz. Als wäre sie hier und irgendwie doch nicht. Sie kann ihren Blick nicht von
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