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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit
Autoren: Karl Schroeder
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bergen.« Er schien verwirrt. »Wozu brauchen wir Sie dann eigentlich noch? Oder gibt es bei der Bedienung dieses Radars ein Geheimnis, das er uns nicht verraten will?«
    Â»Ja und nein«, antwortete der Reporter. »Die Geräte arbeiten tadellos. Sie … tun nur nichts.«
    Der Professor schob seufzend seine Brille nach vorne und rieb sich die Augen. »Das müssen Sie mir erklären. «
    Chaison hatte sich lange Zeit hartnäckig dagegen gewehrt, dem Reporter selbst diese Details zu verraten, obwohl sie den Technikern der Falkenformation bereits bekannt gewesen waren. Schließlich hatten ihnen die Trümmer von etlichen Schiffen Chaisons zur Untersuchung vorgelegen; sie brauchten nur zwei und zwei zusammenzuzählen. Und obwohl er in einem Nebel aus Fieberwahn und Schmerzen letztlich doch Wort für Wort herausgewürgt hatte, war er bereit, allen weiteren Fragen Widerstand entgegenzusetzen. Es gab immer noch Fakten, die er nicht preisgeben würde, und wenn es ihn das Leben kostete.
    Der Reporter wollte offenbar vor seinem früheren Lehrer mit seinen Forschungserfolgen glänzen. »Die Radartechnik ist durchaus bekannt«, erklärte er. »Sie funktioniert nur nicht. Es ist wie mit diesen sogenannten ›Computern‹ und all der anderen Elektri-onik. Solche Geräte werden durch die Erste Sonne auf Dauer blockiert.«

    Chaison war in seinem Leben nur wenigen Menschen begegnet, denen bekannt war, dass es höhere Technologien gab als die einfachen dampf- und brennstoffbetriebenen Maschinen, mit denen sie aufgewachsen waren. Noch geringer war die Zahl derer, die wussten, dass durch die Strahlung Candesces, der autonomen Fusionssonne im Zentrum der Welt, Radar und ähnliche Systeme überall in Virga funktionsunfähig wurden. Selbst für Chaison, der aus einem vornehmen Haus stammte und die denkbar beste Ausbildung genossen hatte, war dies bis vor einem Jahr mehr oder weniger nur Theorie gewesen.
    Der Besucher schüttelte den Kopf und zog die Stirn in Falten. »Sie behaupten, Candesce mache den Einsatz von Radar unmöglich. Wieso konnte er dann damit arbeiten, es sei denn …« Seine Augen wurden groß.
    Â»Es sei denn, er wäre ins Innere von Candesce eingedrungen«, nickte der Reporter. »Oder jemand, den er kennt. Vielleicht der Heimatschutz …«
    Â»Aber der Heimatschutz ist neutral!« Der Professor schüttelte den Kopf und kratzte sich zerstreut mit der Hand den lichten Scheitel. »Er wurde gegründet, um Virga vor Bedrohungen von außen zu schützen, in innere Angelegenheiten mischt er sich nicht ein!«
    Â»Das dachte ich bisher auch«, bemerkte der Reporter im Tonfall eines Mannes, der erst vor kurzem hinter ein großes Geheimnis gekommen war.
    Chaison hätte fast laut herausgelacht. Sollten Ermittlungsbeamte ihre Überlegungen in Gegenwart ihrer Opfer nicht für sich behalten? Diese beiden dürften in seiner Gegenwart überhaupt nicht miteinander sprechen, von einer Erörterung seines Falles ganz zu schweigen.

    Â»Genau das will er uns nicht sagen«, fuhr der Reporter fort. »Wie konnte Slipstream Candesces Störfeld umgehen? Haben sie es abgeschaltet? Haben sie einen Weg gefunden, ihre Schiffe dagegen abzuschirmen? Sehen Sie, ich versuche seit Monaten, meine Serie mit einem Appell an unsere Flotte abzuschließen, ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln. Es war kein gewöhnlicher Angriff. Wenn wir wüssten – wenn wir dazu imstande wären …«
    Â»Ich verstehe.« Der Professor erwiderte Chaisons Blick. Aber etwas war merkwürdig: Chaison vermisste die reptilienhafte Kälte, die er von den gesichtslosen Apparatschiks der brutalen Falken-Bürokratie inzwischen gewöhnt war. Wollte dieser Mann etwa mit einer neuen Taktik – womöglich mit Freundlichkeit? – versuchen, Chaison die letzten, wichtigsten Fakten zu entlocken?
    Es sollte ihm nicht gelingen. Hätte nur Chaisons eigenes Leben auf dem Spiel gestanden, er hätte möglicherweise alles verraten. Selbst wenn es um den Bestand seiner Heimatnation Slipstream gegangen wäre, hätte seine Willenskraft möglicherweise nicht ausgereicht ; er begann gerade, Slipstream oder zumindest seine Regierung dafür zu hassen, dass sie ihn den Falken ausgeliefert hatte.
    Aber wenn die Falken sein Geheimnis erfahren würden, wäre das Leben eines anderen Menschen in Gefahr. Chaisons Frau Venera
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