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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition)
Autoren: Ralf Mickholz
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wartete. Er biß sich auf die Lippe und bekreuzigte sich. »Nicht genug damit, daß dieser Sünder seine Mitmenschen mit dieser Brandstiftung in Aufruhr versetzt hat, nein, er sollsogar auch noch unseren Allmächtigen gelästert haben!« Angeekelt tupfte er sich wieder den Mund ab. »Gott wäre tot ... und er müsse ihn begraben ... Gott habe uns alle verlassen!« Unwirsch wedelte er mit seinem Spitzentüchlein herum. »Sie haben diesen Irren schließlich auf einem angrenzenden Acker gefunden, als er gerade dabei war, sich sein eigenes Grab zu schaufeln.«
    Er machte eine Pause, um mitleiderheischend zu stöhnen. »Drei Gendarmen waren nötig, um diesen Sünder schließlich davon abzuhalten, sich in der Grube mit Erde zuzuschaufeln.«
    »Sicher ein notorischer Säufer!« Was sollte Pierre auch sonst zu dieser Sache sagen? »Diese verruchte Sucht hat ihn wohl seinen Verstand gekostet!«
    Der Bischof nickte. »Was dieses Laster der Genußsucht angeht, mein junger Freund«, seine Hand steckte schon wieder in der Schüssel mit den gefüllten Pralinen, »da gebe ich Ihnen völlig recht. Begriffe wie ›Verzicht‹, ›Askese‹ oder ›Selbstbeherrschung‹ sind vielen Menschen heute regelrecht unbekannt und über die Maßen unbequem.« Er hielt inne und es knackte in seinem Mund. »Äh?« Er blickte gespannt an die Decke. »Ja! Himbeergeist! Herrlich!«
    Erst nach diesem Genuß fühlte er sich gestärkt genug, um sich Pierre wieder zuzuwenden. »Aber was diese Angelegenheit mit dem Besessenen aus Rennes angeht, da liegen die Dinge leider ein wenig anders.« Das nächste Leckerchen lag schon in seiner Hand. »Es war nämlich der örtliche Totengräber. ... Ein gottesfürchtiger und unauffälliger Christenmann, wie man mir berichtet hat. Er hat weder getrunken, noch galt er als besonders schreckhaft.« Der Bischof schüttelte sich vor Abscheu. »Vielleicht hat ihn ja sein unappetitlicher Beruf um den Verstand gebracht? Das ganze Leben auf dem Friedhof ... da wundert es mich ja nicht, wenn es einem beim Anblick dieser grausigen Dinge eines Tages auf den Magen ... oder Verstand schlägt!«
    »Wo ist er jetzt?« fragte Pierre. Sein Vorgesetzter hatte zwar eine fürchterliche Art, seine Ansprache ständig mit irgendwelchen süßen Fressereien zu garnieren – von diesem Folterstuhl, auf dem er die ganze Zeit sitzen mußte einmal ganz abgesehen –, aber seine Geschichte hatte etwas Spannendes, etwas Schauriges.
    »Die Gendarmen haben ihn mitgenommen. Es war ihre Christenpflicht!« bequemte sich sein kauender Gegenüber schließlichdoch zu antworten. »Dieser Mensch hatte keine Angehörigen, die ihn gewissenhaft hinter Schloß und Riegel hätten halten können, so wie es – zum Schutze aller – vonnöten gewesen wäre.« Teilnahmslos zuckte er mit den Achseln. »Die Verwahrung im Gefängnis scheint mir da eine angemessene Lösung!« Der Bischof schwieg einen Augenblick.
    Er hat doch nicht etwa Mitleid mit diesem armen Menschen?
    »Lassen Sie uns Gott danken, daß sie ihn eingesperrt haben, bevor sich diese Kreatur auch noch am Eigentum der Kirche vergreifen konnte!«
    Soviel zum Thema Mitleid!
    »Hat denn dieser Verwirrte den Grund für sein seltsames Betragen verraten?« Allmählich schwante Pierre, warum ihn der Bischof zu diesem Gespräch geladen hatte.
    Seine Exzellenz zog mißmutig die buschigen, weißen Augenbrauen hoch und zögerte. »Er will den Geist dieses verstorbenen Pfarrers Saunière gesehen haben, der die Pfarrei dort oben – mehr schlecht als recht – über 20 Jahre geleitet hat.«
    »Ist das etwa der , den Gott so plötzlich und unerwartet zu sich befohlen hatte?«
    »Ja!« Der Bischof brauste auf und die Lust auf seine zuckrigen Naschereien war ihm erst einmal vergangen. »Dieses hysterische Nest da oben macht mich noch zum Gespött der Leute!«
    Pierre bemerkte, wie sich auf dem nur noch dünn behaarten Kopf seines Gegenübers eine deutliche Röte ausbildete. Der Blutdruck des Bischofs schien bei diesem Thema wild herumzujagen.
    »Brandstiftung, sündhafter Wahn ... und jetzt auch noch dieser liederliche Spuk, bei dem einer meiner Pfarrer seinen eigenen Geist spielt!« Der Bischof tippte sich mit seinem Zeigefinger an die Schläfe und schnappte nach Luft. »Und das alles in meinem friedlichen und gottgefälligen Bistum!«
    Gleich wird er explodieren !
    »Mit diesem sündhaften Unfug muß endlich Schluß sein!« donnerte der Dicke und ließ seine fleischige Hand derart ungestüm auf das güldene Tischlein
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