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Sechs Brüder wie wir

Sechs Brüder wie wir

Titel: Sechs Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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…“
    „Für euch“, schrie Jean Drei. „Für euch!“
    „Kinder!“, rief in diesem Augenblick Mama. „Papa ist gerade nach Hause gekommen!“
    Ausgerechnet in dem Moment, als es richtig spannend wurde …
    Wir haben uns trotzdem gegenseitig noch ein paar Ohrfeigen gepfeffert, damit nicht alles umsonst gewesen war, und dann sind wir ins Wohnzimmer, um endlich von Papa die große Überraschung zu erfahren.
    Wir haben zwar keinen Fernseher, aber der Nachmittag ist trotzdem noch schön zu Ende gegangen.
    In unserem Wohn- und Esszimmer gibt es ein großes Sofa, zwei Sessel und unsere sechs Tischchen, die alle gleich aussehen, aber unterschiedlich groß sind und ineinandergeschoben werden können. Mama hat sie letzten Winter in einem schwedischen Möbelhaus gekauft.
    „Jetzt hat jeder von euch seinen eigenen Tisch“, hatte Mama gesagt, die sehr auf Ordnung hält. „Es gibt keine Streitereien mehr und mehr Platz brauchen sie auch nicht.“
    Sogar Jean Sechs hat seinen eigenen Tisch, was ich übertrieben finde, weil er ja an seinem Babystuhl schon ein Brettchen hat. Aber wenn man vergisst, seinen Tisch hervorzuholen, hält er immer die Luft an und schreit so laut, dass wir alle bedauern, keine kleine Schwester zu haben.
    Um Papas große Neuigkeit zu feiern, hatte Mama an diesem Abend eigens viele kleine Teller mit Lachsbutterhäppchen, Kartoffelchips, Erdnüssen und Käsewindbeuteln vorbereitet.
    Ich mag solche Dinnerpartys immer unglaublich gern. So nennt Mama es, wenn sie mal überhaupt keine Lust hat zu kochen oder wenn wir in der Familie Geburtstag feiern. Wir sitzen dann alle im Kreis auf dem Wohnzimmerteppich, dürfen mit den Fingern essen und so viel Pritzelwasser trinken, wie wir wollen. Bis auf Jean Sechs natürlich. Von den Luftblasen bekommt er nämlich Blähungen, sagt Mama.
    Papa holte zu diesem Anlass sein letztes Weihnachtsgeschenk von Opa Jean heraus: eine merkwürdige Flasche aus versilbertem Metall, die man Siphon nennt. Ich finde, dass sie ein bisschen wie der Feuerlöscher in der Schule aussieht. Man steckt kleine Gaskartuschen hinein und wenn man auf den Hebel drückt, kommt Selterswasser heraus und spritzt ringsum alles nass.
    „Meine Herren!“, sagte Papa feierlich und hob einen Fingerhut Whisky. „Auf die Gesundheit aller hier Anwesenden, die Jean heißen!“
    Darauf hatten wir nur gewartet. Wir stürzten uns auf die Leckereien: Jean Eins vertilgte mit einem Happs drei Käsewindbeutel und Jean Vier stopfte sich die Hosentaschen mit Kartoffelchips voll. Als Jean Drei und Jean Fünf irgendwann anfingen, sich mit Erdnüssen zu bewerfen, musste Mama dann ein Machtwort sprechen.
    „Das ist eine Dinnerparty“, sagte sie, „keine Raubtierfütterung.“
    Mit der schönen Stimmung war es erst mal vorbei. Ich glaube, Mama war ein bisschen beleidigt, weil keiner ihre Lachsbutterhäppchen probieren wollte. Papa wollte sich noch einen Fingerhut Whisky einschenken, aber Mama warf ihm einen Blick zu, der ihm klarmachte, dass jetzt nicht der richtige Moment war, um mit dem neuen Siphon auf dem Tisch herumzuspritzen.
    „Na gut“, sagte er. „Wer will die große Überraschung erfahren?“
    „Ich, ich!“, schrien wir alle.
    Papa griff nach seiner Pfeife, stopfte sie mit Tabak und zog so lange daran, bis gleichmäßige kleine Rauchwölkchen hervorstiegen. Dann erst fing er zu reden an.
    „Also“, sagte er, „wie ihr vielleicht gemerkt habt, kann eure Mutter noch sosehr auf Ordnung halten, aber diese Wohnung ist für uns acht einfach zu klein. Von der Unordnung in euren Zimmern ganz zu schweigen: Da würde nicht einmal eine Katze mehr ihre Kleinen finden …“

    Alle schauten schuldbewusst drein, außer Jean Sechs, der in seinem Babystuhl zu strampeln anfing, als er seinen Namen hörte.
    „Nachdem wir lange hin und her überlegt haben“, fuhr Papa fort, „haben eure Mutter und ich eine folgenschwere Entscheidung getroffen.“
    „Kaufen wir uns einen Fernseher?“, fragte Jean Eins.
    „Nein“, sagte Papa. „Wir ziehen um.“
    „S-siehen u-um?“, wiederholte Jean Fünf.
    „Ja, wir ziehen aus Cherbourg fort“, bekräftigte Papa und pustete ein Rauchwölkchen zur Decke hoch. „Ab dem Herbst habe ich eine neue Stelle am Krankenhaus in Toulon.“
    Daraufhin war es totenstill. Man hätte glauben können, mitten in unserem Wohnzimmer sei gerade eine Atombombe explodiert.
    Uns stand allen der Mund offen und wir bewegten die Lippen, aber es kam kein Ton heraus, wie bei den Figuren aus Rin Tin
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