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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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Folgerungen ziehen. Mehr war nicht nötig oder erwünscht. Die versäumten Konsequenzen freilich konnten einem das Genick brechen. Früher oder später würde sich die Weichheit manifestieren, dann würde das wachsame Auge des Ersten Aggressors und seiner menschlichen Schergen auf den Sünder fallen – und dann …
    Was dann – was eigentlich? Vier Punkte setzen und den Rest ominös in der Luft hängen lassen bedeutete keine Antwort. Man war sich nie so recht darüber klar geworden, was mit den Sündern geschah. Die Schauprozesse beschränkten sich auf die niedrigsten Chargen, der Erste Aggressor wäre bei der Auswahl von Bewährten ersten Grades unfehlbar genug gewesen … – die Eliteauswahl anzuzweifeln: Ronnegart stöhnte in Gedanken und in Wirklichkeit, wie ihm entsetzt bewußt wurde. Er hielt den Atem an und wälzte sich gleichzeitig auf die linke Seite, in der törichten Hoffnung, das folgende Geräusch mache sein Stöhnen vergessen.
    Er lag dem aufnahmebereiten Auge des Fernsehempfängers gegenüber.
    Meine erste Liebe ist der Staat, dachte Ronnegart. Er ist mein ein und alles. Ich liebe den Ersten Aggressor. Ich liebe ihn wie den Himmel, liebe ihn wie die Hölle. Der Staat ist meine Geliebte und meine Mutter. Er nährt mich und er beschützt mich. Er gibt mir das Meine. Er läßt mir Gerechtigkeit widerfahren. Er hält seine schützende Hand über mich.
    Ronnegart atmete tief. Das Auge blieb kalt und teilnahmslos.
    Er hatte den Spion an einem Frühlingstag entdeckt. Er war auf dem Weg nach Hause gewesen. Der Tag hatte nichts Aufregendes gebracht. Er war mit seinen Gedanken „Weit fort gewesen, als ihn eine innere Stimme den Kopf heben und vorsichtig wenden ließ. Er sah ihn sofort. Der Spion hing zwischen den Blättern und wies in seine Richtung. Es war Zufall, daß Ronnegart ihn entdeckte. Der Spion hatte sich seiner Umgebung angepaßt, und wenn Ronnegart nicht vom Amt her mit der Wirkungsweise der Spione vertraut gewesen wäre, hätte er ihn sicherlich nicht bemerkt. Er wußte natürlich nicht, wie lange ihm der Spion schon folgte. Es konnten Tage, Wochen, ja Monate sein. Was schlimmer war: Ronnegart wußte nicht, warum ihm der Spion folgte. Am folgenden Abend zermarterte er sich den Schädel, durchwühlte sein Gedächtnis, versuchte, den leisesten Fingerzeig zu finden. Nichts, absolut nichts.
    Ronnegart wußte, daß niemand automatisch überwacht wurde. Die Zentralkartei in London war so vollkommen, daß Spione nur in besonders kritischen Fällen angesetzt wurden. In der Kartei befanden sich Unterlagen über jeden lebenden Menschen. Sie erfaßte alles, was dem Ersten Aggressor erfassenswert erschien.
    Meine Liebe ist der Staat, dachte Ronnegart, und seine Züge entspannten sich ein wenig.
    Angefangen beim Strukturbild des menschlichen Körpers bis hin zu einer Analyse seines Gehirnes und einer Gesamtkonzeption. Ronnegart hatte munkeln hören, daß die Verwaltung London in der Lage war, jeden Schritt eines Menschen im voraus zu berechnen. Wenn dieses Gerücht nur ein Körnchen Wahrheit barg: vielleicht erklärte das das Auftauchen des Spions. Ronnegart brach der Schweiß aus in Erinnerung an seine damaligen Gedanken. Das Gerücht barg eine Handvoll Quarz, nicht nur ein Körnchen Sand.
    Ronnegart hielt seine Gedanken ein Weilchen an. Als sie ihm schließlich davon liefen, dachte er: Wenn sie schon gewisse Entwicklungen voraussehen können, warum lassen sie diese Dinge überhaupt geschehen? Es kann doch nicht der Sinn einer präventiven Ordnung sein, durch Unterlassen mitschuldig zu werden.
    Er erschrak, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne Veränderung der Retina. Ich bin kleingläubig, dachte er reumütig, ich wünschte, der Erste Aggressor könnte mir verzeihen.
    Aber die hartnäckigen Gedanken kamen wieder.
    Der Teufel war ihm wenige Tage, nachdem er den Spion entdeckt hatte, erschienen. Er hatte blondes Haar, traurige Augen, eine wohlgeformte Gestalt und noch manche Vorzüge, die Ronnegart auf den ersten Blick nicht benennen konnte. Das Schlimme war, daß er gar nicht aussah wie der Teufel, und so gab sich Ronnegart keine Mühe, ihn zu erkennen. Der fatale erste Händedruck, die knappe und doch für die Ewigkeit bestimmte Berührung: er stellte sich an wie ein Schuljunge, und doch ruhten erbarmungslose Augen auf seinen Schultern. Sie maßen seinen Blutdruck und seine Gehirnströme, seine Schweißabsonderungen und einen imaginären Wert; sie zogen ihre Schlüsse, indes Zeiger über Skalen glitten,
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