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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben
Autoren: Freda Wolff
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Sau!«
    »Tut mir leid«, stammelt sie und merkt, wie sie rot wird, »aber …«
    Er hebt die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. An seinem Daumen trägt er einen silbernen Ring mit irgendeinem auffälligen Muster, vielleicht keltisch. Sein Arm ist am Handgelenk tätowiert, sie meint, ein Bild auszumachen, ein Rechteck mit einem Kreuz, vielleicht ein Sarg. Im Fernsehen sind solche Informationen wichtig, denkt sie. Ein Zwerg mit einem silbernen Ring am Daumen und einem Tattoo auf dem Handgelenk. Nein, keinZwerg, ein Typ mit einer Zwergenmaske, das ist ein Unterschied.
    Er hat jetzt ein Messer in der Hand, mit dem er das Klebeband an ihren Beinen auftrennt. Er ist eindeutig bemüht, nicht die feuchten Stellen an ihren Beinen zu berühren, als würde er seinen Ekel nur mühsam unterdrücken können.
    Jetzt durchschneidet er auch das Band um ihre Handgelenke. Sie spürt deutlich das Kribbeln, als ihre Fingerspitzen wieder durchblutet werden.
    Sein Atem riecht ganz leicht nach Bier. Bier und noch irgendetwas anderes. Schweiß! Und irgendein billiges Deo.
    Als er ihr hilft, sich aufzurichten, muss er sie unter den Achseln halten, bis sie wieder alleine stehen kann.
    Dann drückt er ihr die Klinge des Messers auf die Lippen.
    »Denk nicht mal daran zu schreien«, zischt er undeutlich. Um gleich darauf hinzuzusetzen: »Aber es würde dir sowieso nichts nützen. Hier ist niemand, der dich hören könnte. Das Schloss ist weit weg, hinter den sieben Bergen, und dein Prinz hat eine andere gefunden, die er heiraten will. Er wird nicht kommen, um dich zu retten!«
    Als würde er ihr ein Märchen erzählen …
    »Hör auf!«, flüstert sie heiser. »Bitte! Sag mir nur, was du von mir willst. Ich weiß nicht, wer du bist. Ich habe dir doch nichts getan. Warum …«
    »Du musst mir zuhören«, sagt er. »Du darfst keine Fragen stellen. Nur zuhören. Fragen sind nicht gut für dich.« Er stößt sie vor sich her zur Tür hinaus.
    Es ist nahezu dunkel inzwischen, aber der Mond taucht die Umgebung in ein kaltes, fast unwirkliches Licht. Weiter rechts steht ein verfallenes Sommerhaus. Vor ihnen führt ein Holzsteg durch dichtes Schilf zum Wasser. GlattgeschliffeneFelsen liegen wie schwarze Schatten in der Bucht. Weit draußen meint sie den hellen Schimmer der Brandungslinie ausmachen zu können.
    »Was willst du?«, flüstert sie wieder, als er sie bis zum Ende des Stegs führt, eine Hand mit festem Griff an ihrem Ellbogen, in der anderen immer noch das Messer.
    Er ist groß, mindestens einen Kopf größer als sie, und er bewegt sich mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit, die zeigt, dass er durchtrainiert ist. Und jung, denkt sie, kaum älter als ich. Seine Stimme hat sie an niemanden erinnert, den sie kennt. Aber das muss nichts bedeuten. Die Maske verändert die Stimme so, dass jeder Versuch, sie irgendjemandem zuzuordnen, unmöglich wird. Die lächerliche Maske ist es auch, die ihr mehr Angst macht als das Messer.
    »Was willst du?«, wiederholt sie und merkt, wie ihre Stimme zittert.
    »Du wirst jetzt schwimmen lernen«, sagt er. »Schwesterlein muss schwimmen können, sonst stirbt sie. – Zieh dich aus!«, befiehlt er.
    »Was? Wieso? Ich will nicht, ich …«
    »Zieh dich aus!«
    Die Messerspitze deutet auf ihre Turnschuhe.
    Sie bückt sich und knotet mit zittrigen Fingern die Schnürsenkel auf. Das modrige Holz unter ihren Füßen fühlt sich kühl an. Kühl und schmierig.
    Die Messerspitze wandert ihre Beine hinauf, bis zum Rock, den sie gerade noch hastig über ihre Oberschenkel gestreift hat.
    »Weiter!«
    Sie hat Mühe, den engen Rock von ihren Beinen zu bekommen.Wieder sind die feuchten Stellen ihr so peinlich, dass ihr das Blut in den Kopf steigt.
    »Weiter!«
    Als sie sich das T-Shirt über den Kopf zieht, sieht sie, wie sein Blick auf ihren BH gerichtet ist, unter dem sich deutlich ihre durch die Kälte steif gewordenen Brustwarzen abzeichnen.
    »Was willst du?«, flüstert sie noch einmal, während ihr die Tränen über das Gesicht laufen.
    Er gibt keine Antwort. Sie bemerkt, dass die Messerspitze in seiner Hand leicht zittert.
    Sie greift in ihren Rücken, um den BH zu öffnen.
    »Lass das«, keucht er unter der Maske. »Das reicht.«
    Gleich darauf packt er sie und versetzt ihr einen Stoß, der sie rückwärts über die Kante des Stegs taumeln lässt. Während sie fällt, hört sie noch einmal seine Stimme: »Schwimm!« Dann schlägt das Wasser über ihr zusammen. Automatisch bewegt sie Arme und Beine, bis sie
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