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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise
Autoren: Berte Bratt
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bei der Sache. Sie wickelten sich gegenseitig die seltsamsten Verbände um, sie schickten einander zum Jux ins Bett und spielten Krankenhaus, und Eirin setzte eine strenge
    Oberschwestermiene auf und maßregelte die andern, so daß die Krankenschwester, die den Kursus leitete, sie zur Ordnung rief.
    Dann mußten sie Kinderpflege lernen und bekamen eine Zelluloidpuppe ausgehändigt, die sie aus- und anzogen, badeten und wuschen und am Hinterteil sorgfältig mit Talkum puderten.
    Sie fanden das alles zuerst komisch. Aber es machte auch Spaß , mit der weichen, schneeweißen Gaze und der flaumleichten Watte umzugehen - und den jungen Mädchen kitzelte der ungewohnte Krankenhausgeruch in der Nase. Der Kursus fand im Unterrichtssaal eines Schwesternheimes statt. Die Schwestern umschwebte natürlich auch immer ein wenig Ätherduft. Und wenn sie ihnen in den Gängen begegneten, dann versetzte es ihnen einen ganz kleinen Stich; denn sie beneideten sie um die kleidsame Tracht.
    Eirin ließ sich kurzerhand ein paar schicke weiße Kittel nähen und kleine Hauben, die ihrem Gesicht sehr schmeichelten - das sollte ihre Schwesterntracht sein. Denn sie war fest entschlossen, Halfdans „Sprechstundenhilfe“ zu werden. Sie wollte ihm bei seiner Arbeit zur Hand gehen, ihm durch dick und dünn zur Seite stehen, sie wollte Glück und Leid und Enttäuschungen mit ihm teilen.
    Sie hatte kürzlich amerikanische Arztfilme gesehen und ihre Freude an dem Anblick der blitzblanken Sprechzimmer gehabt mit ihren glänzenden Kacheln, weißen Möbeln, geschliffenen Spiegeln und vernickelten, schimmernden Gegenständen überall.
    Halfdan strahlte vor Glück. Er war soeben als Assistenzarzt bei Oberarzt Dr. Brattholm angekommen, einem der tüchtigsten Chirurgen der Stadt. Er genoß die Arbeit. Denn er fühlte, daß Brattholm mit ihm zufrieden war.
    „Sie werden Ihre Bakterien auf Eis legen müssen, junger Mann!“ sagte Brattholm. „Sie sind wie geschaffen für die Chirurgie.“
    Und Halfdan gehorchte lächelnd. Er packte sein Mikroskop vorläufig weg. Die Bakterien mußte er zurückstellen, er konnte diese Liebhaberei wieder hervorholen, wenn - ja, wenn er einmal Zeit dafür übrig hatte.
    Zunächst operierte er Blinddärme und Brüche, und bei größeren Operationen assistierte er. Er konnte mit angehaltenem Atem daneben stehen und den Chef bewundern, wenn dieser eine schwierige Trepanation vornahm oder eine gefährliche Unterleibsoperation ausführte. Brattholm hatte sicherlich recht, wenn er sagte, daß Halfdan zum Chirurgen geboren sei.
    Seine Finger waren kräftig und geschickt, und er hatte eine ungewöhnlich sichere Hand. Die Instrumente wurden zu lebendigen, gehorsamen Dienern. Er legte Kanülen ein, er setzte Klammern an, er schnitt, er nähte, alles mit der gleichen Fixigkeit, der gleichen Sorgfalt und Genauigkeit.
    „Dr. Hoek näht wie eine ausgelernte Schneiderin“, wagte die Operationsschwester zu scherzen. „Das ist ja die reinste Kunststickerei!
    Ich finde, der Doktor macht Unsichtbarkeitsstiche“, sagte die Hilfsschwester, ein molliges kleines Ding von fünfundzwanzig Jahren, die heimlich und hoffnungslos in Hoek verliebt war. Halfdan war übrigens selbst stolz auf seine „Unsichtbarkeitsstiche“. Als er eines Tages - ganz selbständig - ein armes kleines Mädchen zusammenflicken mußte, das mit dem Fahrrad kopfüber gestürzt war und sich das ganze Gesicht zuschanden geschlagen hatte, waren allerdings Kunststopfen und Unsichtbarkeitsstiche am Platze, und das Ergebnis war denn auch so gut, daß Brattholm ihn an den Schultern rüttelte und „Bravo, junger Mann“ sagte.
    O ja. Halfdan war in seinem Element. Er hätte keine Arbeit finden können, die ihm besser gefiel.
    Im nächsten Jahr wollten sie heiraten. Dann hoffte er eine Station zu bekommen, und mit dem Gehalt eines Stationsarztes konnten sie einen Hausstand gründen.
    Einstweilen nähte Eirin Servietten und Handtücher, daß es nur so rauchte, und ihre Aussteuertruhe füllte sich langsam mit Stößen von schimmernd weißer Wäsche.
    Eirin stand von dem Bettrand auf. Sie hatte sich ganz in ihre Gedanken versponnen. Langsam kletterte sie nach oben und ging aufs Deck hinaus. Es war noch immer grau und dunstig, und es nieselte. Sie stellte sich an die Reling und starrte auf die Schaumkämme. Und mit den Rändern der Wellen, die der Bug aufpflügte und die eilig über die dunkle Wasserfläche davonliefen, ließ sie, das stetige, einschläfernde „Dunkedonk“ der
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