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Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarzes Blut: Thriller (German Edition)
Autoren: Max Wilde , Roger Smith
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vollgestopfte Tasche dabei.
    Skye küsste Timmy zum Abschied. Unter der weichen Haut ihres sechsjährigen Neffen erkannte sie die harten, ernsten Gesichtszüge ihres Bruders. Ihr Bruder war ein anständiger Mann. Ein Heiliger, hieß es. Trotzdem betete sie jeden Tag, dass der Junge ohne die Gespenster der Vergangenheit aufwuchs, die seinen Vater heimsuchten und ihn innerlich immer weiter aushöhlten.
    Skye schaffte es gerade rechtzeitig zum alten verrosteten Wasserturm an der Ecke, damit Richie sie in seinem klapprigen Pick-up, auf dem immer noch der verblasste Schriftzug eines lange aufgegebenen Klempnerbetriebs zu lesen war, in die Stadt mitnehmen konnte. Richie begrüßte Skye mit einem Grunzen und fuhr schweigend die Straße entlang, die an niedrigen Häusern und Einkaufszentren vorbei in die Stadt führte.
    Richie war ungefähr zwanzig. Skye kannte ihn, weil er ein paar Klassen über ihr gewesen war. Ein Einzelgänger, der die Schule abgebrochen hatte und nun als Tankwart bei Earl’s arbeitete. Skye hatte ebenfalls die Schule geschmissen – eine unbestimmte Angst hatte sie davon abgehalten, ihrem Potenzial entsprechende Noten zu bekommen, damit sie nur ja nicht aufs College mit seinen vielen Gefahren gehen musste. Jetzt kellnerte sie in Earl’s Diner. Eines Tages hatte Richie neben ihr angehalten, als sie gerade auf dem Weg zur Arbeit gewesen war.
    Zuerst hatte Skye befürchtet, dass er sich an sie ranmachen wollte, aber das war nie geschehen. Er schien völlig desinteressiert und nahm sie nur aus reiner Höflichkeit mit. Da er die ganze Nacht durcharbeitete, fuhr sie üblicherweise mit ihrer älteren, geschiedenen Kollegin Minty nach Hause. Sofern Minty nicht gerade dabei war, Männer anzugraben. Oder sich angraben zu lassen.
    Skye starrte durch das Fenster auf den hässlichen kleinen Ort, der langsam kleiner wurde und schließlich in die Ausläufer der großen Stadt im Norden überging. Die Straße war die Nabelschnur, die das winzige Kaff mit dem Ghetto jenseits der Grenze verband und seine einzige Daseinsberechtigung darstellte. Doch mit dem neuen Zaun und den zunehmenden Aktivitäten der Grenzpolizei wurde diese Verbindung immer unbedeutender, der Ort immer kleiner.
    Richie hielt auf dem Parkplatz vor dem Diner, murmelte irgendetwas und ging dann in Richtung Tankstelle.
    Skye drückte die Glastür zu Earls kleinem Resopalreich auf, das vor vierzig Jahren ein echtes Prunkstück gewesen war, wenn man den älteren Semestern Glauben schenken wollte. Inzwischen quoll das Polster aus den roten Stühlen, die gelben Tische waren verkratzt, und die beleuchteten Fotos von Eisbechern und Hamburgern an der Wand verblassten zu einem breiigen Grün.
    »Minty ist noch nicht da«, sagte Earl, der plötzlich wie eine Handpuppe in der Küchendurchreiche auftauchte.
    Für Skye war Earl einer dieser Typen, die schon alt auf die Welt gekommen waren. Seine Haut wirkte wie ein abgetragener, verknitterter Anzug, der locker auf seinen Knochen hing.
    Skye zwängte sich in den Personalraum neben der Küche, schnappte sich die Schürze und den bescheuerten kleinen Stoffhut, auf den EARL’S gestickt war, und ging wieder ins Diner zurück.
    »Dann wirst du dich wohl allein um den Ansturm beim Abendessen kümmern müssen«, sagte Earl.
    Skye nickte und sah sich im leeren Restaurant um. Vielleicht würden vor Mitternacht noch ein paar Trucker auftauchen, die auf der Interstate im Norden unterwegs waren und von den Lichtern angezogen wurden. Sie würden eine Tasse von Earls grässlichem Kaffee trinken, während draußen die Motoren ihrer Laster beim Abkühlen klimperten und knarrten.
    Die Tür wurde aufgestoßen, und Minty stolzierte herein. Sie hielt kurz inne, um einen letzten Zug von ihrer Marlboro zu nehmen, und blies den Rauch durch die Nasenlöcher und die bemalten Lippen hinter sich in die Nacht. Dann schnippte sie die Kippe vor die Tür und stöckelte durch das Diner. Ihre Schuhe klickten wie verächtliches Zungenschnalzen.
    »Du bist spät dran«, sagte Earl durch seine Durchreiche.
    »Jetzt bin ich ja hier, oder?«, sagte Minty, zwinkerte Skye zu und verschwand im Personalraum.
    Earl betrachtete ihren Hintern in dem engen Rock, und Skye konnte die Wellen der Begierde, die er ausstrahlte, förmlich spüren. Er warf den Gefrierschrank zu und klapperte mit den Tellern, ließ seinen Frust an der Kücheneinrichtung aus. Earl war schon seit zu vielen Jahren hoffnungslos in Minty verknallt, und jeder Biker, Trucker und Taugenichts,
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