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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen
Autoren: Karl Olsberg
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und Profis. Diejenigen, die erst vor kurzem zu Reichtum und Berühmtheit gelangt waren, genossen die Aufmerksamkeit der Presse, kannten die Fallstricke noch nicht. Sie trugen auffällige Kleidung, teuren Schmuck, intensives Parfüm. Sie ließen sich Haare und Fingernägel modisch aufpeppen, fuhren Autos, die sonst nur Zuhälter fuhren, lachten laut und oft, ließen sich in der Öffentlichkeit bewundern und feiern und hielten sich insgesamt für unbesiegbar. Ganz anders die Profis – Politiker, der Hochadel, ältere, erfahrene Stars aus Film und Musik: Sie achteten auf jedes Wort, jede Bewegung. Sie bemühten sich, tiefzustapeln, ihren Reichtum oder ihre Berühmtheit nicht zu offen zur Schau zu stellen. Sie waren dezent, freundlich, aufmerksam, gaben dem Gegenüber das Gefühl, wichtiger zu sein als sie selbst, und wussten, dass sie damit ihre eigene Bedeutung erst recht hervorhoben. Ihre Masche war subtiler, aber für eine erfahrene Journalistin genauso durchsichtig. Sie respektierten Faller, wie man einen bissigen Hund respektiert.
    Heiner Benz und seine Frau waren eindeutig Profis. Es würde nicht leicht werden, ihnen einen verwertbaren Satz zu entlocken.
    Faller eröffnete mit einer Standardfrage. »Würden Sie unseren Lesern verraten, wie Sie sich kennengelernt haben?«
    |30| Eva Benz sah ihren Mann an, ließ ihm den Vortritt. Das sagte einiges über die Machtverhältnisse in ihrer Beziehung aus. »Das war in München, auf einer Benefizveranstaltung«, sagte er. »Mir wäre beinahe das Sektglas aus der Hand gefallen, als ich Eva das erste Mal sah.« Er grinste.
    »War es Liebe auf den ersten Blick?«
    »Bei mir schon.«
    Eine wunderbare Vorlage! Faller wandte sich demonstrativ zu Eva Benz um. »Und bei Ihnen?«
    »Ehrlich gesagt, fand ich Heiner zuerst ziemlich langweilig«, sagte sie in fröhlichem Plauderton. Ihr Mann stieß ein kurzes, dröhnendes Lachen aus. Faller stimmte pflichtschuldig ein. »Aber Heiner ist sehr hartnäckig. Wenn er etwas haben will, bekommt er es früher oder später auch. Das hat mir imponiert!« Sie setzte sich demonstrativ näher zu ihm, küsste ihn auf den Mund. Andreas’ Kamera klickte mehrfach.
    Nach dem Himmel auf Erden klang das nicht gerade. Aber Eva Benz’ entwaffnende Offenheit machte es schwierig, einen Keil zwischen die beiden zu treiben und über einen Streit zu den wahren Menschen hinter der Fassade vorzudringen. »Haben Sie ihn deswegen geheiratet?«, fragte Faller mit der winzigsten Andeutung von Skepsis in ihrer Stimme.
    »Ja«, sagte Eva Benz rundheraus.
    Faller entschied, das übliche harmlose Geplänkel zu überspringen und direkt zum Angriff überzugehen. »Entschuldigen Sie, wenn ich so direkt frage. Haben Sie sich nie Kinder gewünscht?«
    Es war eine provozierend indiskrete, eine geradezu unverfrorene Frage, der durch die vorausgehende Entschuldigung kaum die Schärfe genommen wurde. Immerhin konnte es ja sein, dass Benz oder seine Frau unfruchtbar waren. Aber es war auch eine gute Möglichkeit, die beiden |31| aus der Reserve zu locken, falls der Grund war, dass einer von beiden Kinder wollte und der andere nicht. Nach Fallers Erfahrung gab es in einer Beziehung kaum ein Thema, das so schnell die Emotionen hochkochen ließ.
    Heiner Benz’ Gesicht verspannte sich leicht. Treffer! Doch nach einer halben Sekunde des Zögerns entschärfte seine Frau die Situation gekonnt. »Wir sind uns selbst genug!«
    Er legte seinen Arm um sie und grinste zufrieden.
    Faller entschied, einen Gang zurückzuschalten. Wenn ihre Überrumpelungstaktik nicht funktionierte, musste sie versuchen, die beiden einzulullen. Sie stellte Fragen zu Eva Benz’ steiler Modelkarriere, zum geschäftlichen Erfolg ihres Mannes, den dieser mit einer 1997 gegründeten Internetfirma erzielt hatte. Die beiden tauten spürbar auf, als sie über ihre gute Seite schwadronieren konnten. Faller wusste, dass nichts von dem, was in dieser halben Stunde gesprochen wurde, verwertbar war – die
Rasant -
Leser wussten das alles schon. Sie wollten etwas Überraschendes, Neues. Bisher war das Interview in dieser Hinsicht eine Pleite.
    Sie versuchte es mit Politik – neben Religion und Sex eines der Tabuthemen für ein belangloses Plaudern, und damit umso interessanter für eine Journalistin. »Ich nehme an, Sie haben davon gehört, dass das Bundesverfassungsgericht gegen den Bau einer Moschee in Moosenheim entschieden hat. Was halten Sie von diesem Urteil?«
    Faller hatte keine wirkliche Hoffnung, dass die
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