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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde
Autoren: Christine Feher
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Tische abgeräumt haben, wird Corvin von Frau Bollmann beschlagnahmt, sie bleiben noch am Tisch sitzen und breiten eine Karte von East Sussex vor sich aus, um die kommenden Tage zu planen. Etwas später trommeln sie uns noch einmal zusammen.
    »Herr Schwarze und ich gehen noch auf ein Bier in den nächsten Pub im Ort«, verkündet Frau Bollmann. »Einige von Ihnen sind ja bereits volljährig; wer möchte, kann uns also gern begleiten. Wir treffen uns in zehn Minuten am Haupteingang.«
    »Wow, ein Bierchen könnte ich jetzt gut gebrauchen«, freut sich Manuel. »Du kommst doch sicher mit, Süße?« Er legt seinen Arm um meine Schulter und führt mich zu meinem Zimmer zurück.
    »Ich glaube nicht«, wehre ich ab. »Ich werde wohl lieber früh schlafen gehen, bin ziemlich kaputt von der langen Reise. Bier ist sowieso nicht so meins.«
    »Du kannst auch was anderes trinken«, meint er und sieht mich schon wieder so provozierend an. »Reizen dich nicht die gemütlichen, altmodischen englischen Pubs? Vorhin hast du noch so getan, als wolltest du ganz England in dir aufsaugen.«
    »Nicht heute. Ich bin einfach nur müde, Manuel.« Ich versuche, mich aus seinem Griff zu befreien. »Außerdem ist dies noch nicht der letzte Abend. Es wird sicher noch eine weitere Gelegenheit geben.«
    »Möchtest du nicht noch ein bisschen in Schwarzes Nähe sein?« Er zieht mich erneut an sich. »Über eure gemeinsame Lieblingsband fachsimpeln? Er freut sich bestimmt.«
    »Hör auf mit dem Unsinn.«
    Manuel wirft mir einen Blick zu, der mir nur allzu sehr verdeutlicht, er lasse sich nicht weiter von mir täuschen. Er lässt mich los und ich verschwinde in der Toilette, dem einzigen Raum, in den mir niemand folgt, bleibe länger darin als nötig, ich muss Abstand gewinnen, mich sammeln. Es gelingt mir nur schwer. Manuel kann es nicht sein, der mich bedroht, denke ich; das wäre unfassbar, bitte nicht Manuel.
    Als ich wieder in den langen Flur trete, begegne ich Corvin. Über seine Sweatjacke hat er einen schwarzen GoreTex-Anorak angezogen. Außer ihm ist niemand mehr hier, vermutlich ist er zum letzten Kontrollgang unterwegs, um sicherzugehen, dass auch wirklich alle, die in den Pub wollen, fertig sind.
    »Du kommst nicht mit?«, fragt er, sein Blick seltsam kalt, die Stirn gerunzelt. Ich schüttle den Kopf, hoffentlich hat ihn niemand gehört, er duzt mich nie vor den anderen Schülern.
    »Es ist besser so. Außerdem kann ich kaum noch die Augen offen halten.«
    »Du willst ins Bett, ja?« Corvin tritt einen Schritt näher. »Mit Manuel noch ein bisschen rummachen, während alle andern weg sind? Dann viel Spaß.«
    »Manuel geht mit«, entgegne ich, aber er geht nicht darauf ein, entschuldigt sich nicht für den blöden Spruch, sondern wendet sich zum Gehen. Ich fahre zusammen, als er die Tür hinter sich zuschlägt.
    Ich warte, dass sich mein Herzschlag ein wenig beruhigt, dann gehe ich ins Zimmer zurück. Ich lese, schicke meinen Eltern eine SMS , dass ich gut angekommen bin, höre Musik aus dem MP3-Player, räume meinen Schrank noch einmal um, nur um irgendetwas zu tun, um wieder runterzukommen. Auch die anderen sind geblieben. Während Büsra und Carla auf ihren Betten liegen und lesen, huscht Alena den ganzen Abend lang immer wieder zum Fenster, um nach draußen zu spähen, schreit leise auf, wenn irgendwo ein Ast knackt oder der Scheinwerfer eines Autos die Fassade streift, eine Fledermaus am Fenster vorbeifliegt; lauscht in die untere Etage, wo Mr und Mrs Lewis wohnen. Immerhin ist der Heizkörper inzwischen gut lauwarm, mit einem dicken Pullover über der anderen Kleidung ist die Temperatur erträglich, und kurz vor Mitternacht beschließe ich, ihn auch im Bett anzubehalten. Inzwischen übermannt mich die Müdigkeit, ich gehe in unseren Waschraum, um mich zu waschen und mir die Zähne zu putzen, und will mich dann hinlegen. Auch Alena sagt, sie wolle nicht mehr warten, bis die anderen zurückkommen.
    Als wir fertig zum Schlafengehen sind, lauscht sie erneut nach jedem Geräusch im und ums Haus.
    »Ich werde bestimmt kein Auge zutun, so unheimlich ist es hier«, jammert sie.
    »Du musst wirklich keine Angst haben«, versichere ich ihr. »In England ist einfach die Zeit stehen geblieben, zumindest hier draußen auf dem Land. Die Engländer lieben diese alten, verwunschenen Häuser mit ihrem ganz eigenen Charme, da wird nicht ständig alles modernisiert wie bei uns. Alte Fenster, Türen und Dielen knarren eben ein bisschen, das heißt
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