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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge
Autoren: Anna Jansson
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schläft, und schleichen sich in den Traum hinein und machen ihn zur Wirklichkeit. Und dann ist man allein mit ihnen.

2
    »Sie hat mich angelächelt, hast du das gesehen, Per?« Folke Arvidsson nahm die Serviette und wischte seiner Frau sorgfältig das Kinn ab, ehe er einen weiteren Löffel Erdbeercreme zu ihrem verständnislosen Mund führte und ihr über die Wange strich. Sie wandte ihr Gesicht der zärtlichen Berührung entgegen und machte ein schmatzendes Geräusch.
    »Sie hatte eben beim Lächeln dasselbe listige Blitzen in den Augen wie damals, als ich sie gefragt habe, ob sie meine Brille gesehen hat, und ich sie auf der Stirn trug.«
    Kriminalinspektor Per Arvidsson betrachtete seine Mutter mit einem wachsenden Gefühl der Verzweiflung. Er suchte in ihrem ausdruckslosen Gesicht nach einer kleinen Veränderung, nach einem Schimmer des Wiedererkennens unter den halb geschlossenen Augenlidern, doch da war nichts. Sie war so dünn geworden, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Wahrscheinlich hatte er sich, während er im Kosovo war, andere und weniger eindringliche Bilder von ihrem Gesundheitszustand gemacht. Aber sie war doch leichter und der Rücken gebeugter, als er es in Erinnerung gehabt hatte.
    Es waren fast sechs Monate seither vergangen, und das Leben veränderte sich unaufhörlich. Britt lag wie ein aus dem Nest geworfenes Vögelchen da, zusammengekauert, die Knie in Embryonalstellung unter dem Kinn. Der Körper füllte nur den oberen Teil des Krankenhausbetts aus. Bei der Umarmung zur Begrüßung hatte ihr Blick gezuckt, als wäre er ein Fremder gewesen.
    Das war hart für ihn. Aber der Gedanke, dass sie den Körper, der sie so bitter im Stich gelassen hatte, bereits verlassen hatte, dass sie sich jetzt an einem anderen und besseren Ort befand, dieser Gedanke war noch unerträglicher.
    »Britt findet, dass dieses Hemd nicht zum Jackett passt, aber ich hatte kein anderes, das sauber war. Wir haben jeden Tag über dich gesprochen, Mama und ich, und ich habe ihr deine Briefe vorgelesen. Es ist gut, dass du so fleißig geschrieben hast. So konnten wir deine Erlebnisse im Kosovo mitverfolgen. Weißt du, ich erinnere mich noch gut daran, wie ich im Zweiten Weltkrieg an der norwegischen Grenze im Einsatz war. In deinen Ohren klingt das im Vergleich zum Kosovo wahrscheinlich ziemlich harmlos. Aber damals habe ich zum ersten Mal begriffen, dass das Leben endlich und unvorhersehbar ist. Mein Kamerad hat einen Querschläger abbekommen. Im einen Moment hatten wir noch zusammen Wache geschoben, im nächsten war er nicht mehr da. Hätte auch mich erwischen können. Wir leben gern in der Illusion, dass wir alles unter Kontrolle haben. Du hast mich vorhin gefragt, ob ich mich für ein Leben mit Britt entschieden hätte, wenn ich vorher von der Krankheit gewusst hätte. Das hast du zwar nicht so formuliert, aber das wolltest du doch wissen, oder?«
    »Mag sein. Wie kann man sich überhaupt auf einen anderen Menschen verlassen? Woher weiß man, dass der andere einen nicht betrügen wird? Man investiert eine ganze Menge, wenn man sich dafür entscheidet, mit jemandem zusammenzuleben.«
    »Man stirbt nicht daran, betrogen zu werden. Im besten Fall lernt man, seine Erwartungen anderen Menschen gegenüber etwas hinunterzuschrauben. Weißt du, Junge, als alter Schwedischlehrer gebe ich vielleicht mehr acht auf die Wortwahl als andere Menschen. Es ist bemerkenswert, wie sich Begriffe aus der Wirtschaftssprache in die Sprache für unsere Gefühle geschlichen haben. Wir investieren in Beziehungen, kalkulieren die Risiken, wenn wir ein Angebot machen und für unseren Einsatz belohnt werden. Ja, ich hätte mich dafür entschieden, mein Leben mit deiner Mutter zu verbringen, auch wenn ich von ihrer Krankheit gewusst hätte. Aber zum Glück ist das Leben so seltsam gut und barmherzig eingerichtet, dass man im Voraus nicht weiß, was die Zukunft bringen wird.«
    Folke holte Luft und fuhr mit leiser Stimme fort: »Fällt es dir schwer, jemanden zu finden, mit dem du dein Leben verbringen könntest, Per? Mama und ich haben manchmal darüber gesprochen. Wir wollen uns nicht in dein Leben einmischen, aber wir denken schon darüber nach, wie es damit eigentlich steht.« Nach einer Weile prüfenden Schweigens, in der er seinen Blick schweifen ließ, um seinem Sohn die Situation weniger unangenehm zu machen, fügte er hinzu: »Und auch wenn es ein männlicher Partner sein sollte, kannst du ihn gern mit nach Hause bringen und uns
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