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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi
Autoren: Nora Luttmer
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peinlich. Keiner ihrer männlichen Vorgänger hatte auch nur annähernd so gut gearbeitet wie sie. Lan kam im Handumdrehen an jede erdenkliche Information heran. Sie war vertraut mit den Strukturen des Parteiapparats und hielt Ly bei allem, was die ihm so verhasste Bürokratie betraf, den Rücken frei. Und sie hatte die Überzeugung, dass die Arbeit, die sie machte, wichtig war. Eine Einstellung, die er teilte, meistens zumindest.
    »Meine Güte, mieft es hier«, erklärte sie ohne höfliche Umschweife, sobald sie Lys Zimmer betreten hatte, und riss die Fenster auf. Ly hinderte sie nicht daran. Sie machte ja doch, was sie wollte. Kein Wunder, dass sie nochkeinen Ehemann abbekommen hatte. Und dabei war sie fast 30.
    Eine diffuse Geräuschkulisse drang herein. Hupen, Rufe, quietschende Reifen und der hohe Singsang des Brotverkäufers. » Banh mi nong hoi day, banh mi nong. «
    Lans weiße Bluse klebte vom Schweiß durchsichtig auf ihrer Haut, ein Spitzen-BH schimmerte hindurch. Als sie Lys Blick bemerkte, legte sie den Kopf schief, wobei sie die Brauen hochzog. Ly hatte das als Ausdruck stiller Kritik zu deuten gelernt.
    »Hast du was herausgefunden?«, fragte er, um schnell abzulenken.
    Sie hatte die Befragung der Anwohner draußen am Tempel übernommen. Viele konnten es nicht gewesen sein. Die Gegend war noch nicht sehr eng bebaut.
    »Wie immer, die Leute sind nicht besonders gesprächig«, sagte sie.
    Manchmal hatte Ly das Gefühl, die Hanoier deckten lieber einen Mörder, als der Polizei zu helfen.
    »Aber vielleicht haben wir doch was«, fügte Lan hinzu. »Ein Anwohner sagt, gegen halb zwei sei ein Wagen an seinem Haus vorbeigefahren.«
    »Na toll. Bei mir fahren die ganze Nacht Autos am Haus vorbei.«
    »Das Haus liegt an der Uferpromenade, die sie gerade neu bauen. Ein paar hundert Meter vom Tempel entfernt.«
    »Und?« Ly war immer noch nicht klar, warum das so wichtig sein sollte.
    »Was und? Die Straße ist noch nicht fertig. Der Wagen ist also direkt durch die Baustelle gedonnert. Schon komisch,oder? Das Kennzeichen sei eine Hanoier Nummer gewesen, die mit 29 – AH anfing.«
    »Das konnte der Zeuge in der Dunkelheit erkennen?«
    »Anscheinend. Es ist Vollmond. Es war übrigens ein russischer Jeep. Marke UAZ. Und braungrün wie fast alle diese alten Jeeps.«
    Lys Interesse war geweckt. Er dachte an die alte Frau mit ihrem Gerede vom Militär. Diese russischen UAZs waren über Jahre die Standardwagen der Militärs gewesen. Konnte es sein, dass der Jeep bis zum Tempel gefahren war? Egal wie verwirrt die alte Frau war, das Geräusch eines Militärfahrzeugs erkannte sie womöglich immer noch.
    »Schick das Kennzeichen an die Zulassungsbehörde. Ich will eine Liste aller Wagen, die in Frage kommen.« Während er noch sprach, klingelte das Telefon.
    Lan griff nach dem Hörer. »Ja … Ja … Natürlich. Das richte ich ihm aus.« Nachdem sie aufgelegt hatte, teilte sie Ly mit, dass für 15 Uhr eine Sondersitzung einberufen worden war. Ein mit tinh . Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
    »Und wenn ich dir einen Rat geben darf«, fügte Lan mit einem Lächeln hinzu, »steck dein Hemd in die Hose, sonst regt der Chef sich nur auf.«
    »Am besten zieh ich gleich die Uniform an, was?«, sagte Ly.
    *
    Die Sitzung sollte im Konferenzsaal Nummer drei des Präsidiums stattfinden, einem Raum, dessen Wände mit schweren roten Samttüchern verhangen waren. EineGipsbüste Ho Chi Minhs stand auf einem Sockel aus goldfarbenem Plastik, darüber hing ein rotes Spruchband: »Die Kommunistische Partei Vietnams auf ewig ruhmreich«.
    In den Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden krochen, tanzte der Staub. Ly schaltete das Licht ein und setzte sich auf einen der Holzstühle, die um den langen Tisch standen.
    Während er wartete, überflog er seine wenigen Notizen, die er sich schnell gemacht hatte. Er wollte, dass seine Darstellung schlüssig und prägnant war, auch wenn es noch nicht viel zu sagen gab.
    Um kurz vor drei füllte sich der Raum. Ly stopfte sich nun doch schnell sein Hemd in die Hose.
    Tang Van Xuan, Leiter der Abteilung für Wasserschutz, setzte sich neben ihn. Xuan war klein und stämmig. Doch trotz seiner 50 Jahre hatte er immer noch etwas Jungenhaftes. Meist umspielte ein Lächeln seinen Mund, und es sah dann immer so aus, als hecke er gerade einen Streich aus. Er war ein hervorragender Bootsführer. Seinen großen Einsatz hatte er in den Sommermonaten, wenn während der Regenzeit der
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