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Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
Autoren: Steve Mosby
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geht. Tapp, tapp. Die Leute machen, eher instinktiv als aus Rücksicht, Platz für ihn, und Sullivan bezähmt das sattsam vertraute Bedürfnis, hinüberzusprinten und ihn zu packen. Bekäme er den alten Mann erst in die Finger, so viel ist gewiss, wäre kein Halten mehr.
    Also blickt er ihm hinterher. Steckt Poole in dieser Sache hier irgendwie mit drin? Eher unwahrscheinlich. Schließlich hat er die kleinen Mädchen nie zurückgebracht. Er hat sie vorsätzlich und nach sorgfältiger Planung entführt, so dass man es zwar wissen, aber ihm nicht beweisen konnte. Wie dem auch sei, Sullivan kennt Pooles Adresse. Nach Annas Verschwinden hat er seine Wohnung durchsucht. Doch seitdem hat es Zeiten gegeben, in denen er früh morgens in der Nähe seines Wohnblocks geparkt und sich ausgemalt hat, was er mit dem alten Mann am liebsten machen würde.
    Sullivan dreht sich wieder zu dem kleinen Mädchen um.
    Sein Blick fällt erneut auf die Tasche. Sie ist für sie viel zu erwachsen. Sie sieht schmutzig aus, als hätte sie irgendwo draußen herumgelegen, doch er hat den vagen Eindruck, als wäre sie einmal teuer gewesen.
    »Erlaubst du mir bitte, einen Blick da reinzuwerfen?«
    Sie zögert.
    »Ich bin vorsichtig«, sagt er. »Versprochen. Und dann bekommst du sie wieder.«
    Immer noch unentschlossen. Doch sie hält sie ihm hin.
    »Danke.«
    Der Reißverschluss klemmt: Wie vermutet, haben sich Erdkrumen in den Metallzinken festgesetzt. Als er sie endlich geöffnet hat und hineinsieht, rechnet er damit, ein kleines Portemonnaie, Taschentücher – vielleicht Schlüssel – darin zu finden, doch die Handtasche ist fast gänzlich leer.
    Außer … einer Blume.
    Sullivan fasst behutsam hinein und zieht sie heraus. Der Stengel ist geknickt und halb zerfasert; die Blütenblätter, die jemand irgendwann einmal gepresst hat, sind grauschwarz.
    Er spürt ein Kribbeln in den Fingern.
    Und wieder ist da dieses Gefühl, nur jetzt viel stärker als vorhin. Irgendetwas stimmt hier nicht. Sullivan sieht sich das schmutzige Haar, das seltsame Kleid des Mädchens an. Zum ersten Mal bemerkt er einen leichten Bluterguss an ihrer Wange.
    Das kleine Mädchen sagt: »Jane.«
    »Heißt du so?«
    Sie schüttelt den Kopf und deutet leicht auf die Blume.
    »Das ist Jane. Sie spricht nicht mehr mit mir.«
    Sullivan starrt sie an. Er versteht nicht, was sie meint – natürlich nicht, noch nicht, trotzdem läuft es ihm bei dieser eigenartigen Antwort kalt den Rücken herunter. Die nächste Bahn rattert über die Straße; er hört, wie sie lauter wird. Vor seinen Augen bröckelt die mühsam aufrechterhaltene Tapferkeit des Mädchens, und sie weint.
    Sie sagt: »Bitte hilf mir.«

Erster Teil
    1
    M ein Vater war Schriftsteller. Ich wollte in seine Fußstapfen treten, und so hätte ich an diesem Tag sowieso an ihn gedacht, auch ohne das, was später passierte. Doch den größten Teil des Vormittags hatte ich mich mit Kobolden und Wechselbalgen befasst.
    Na ja – natürlich auch mit Studenten.
    Es war schon fast Mittag. Ich ging um meinen Schreibtisch herum und hob eine Lamelle in der Jalousie hoch. Draußen fiel die Mittagssonne schräg über die Steinplatten unter meinem Büro. Eine Schar neuer Studenten strömte vorbei. Die Jungen schienen in Shorts und T-Shirts alle für den Strand gerüstet. Die Mädchen trugen fließende Sommerkleider, riesige Sonnenbrillen und Flipflops, die auf dem Pflaster klatschten. Es war Orientierungswoche zu Erstsemesterbeginn 2010, und so glich der ganze Campus einer einzigen Party. Den größten Teil des Morgens war von der Union Hall aus, dem Gebäude der Studentenvertretung, Musik herübergedröhnt, die eher nach einem monotonen Herzschlag klang.
    Ich ließ die Lamelle wieder los und kehrte zu meinem Schreibtisch zurück. Im Vergleich zur strahlenden Karnevalsatmosphäre dort draußen war mein Büro klein, trist und grau. Hier drinnen roch es nach staubigen Aktenkästen und dem rostigen Heizkörper, der das Fenster unterstrich. Ich hatte die Tür einen Spaltbreit offen gelassen. Ros – meine Chefin – war unten in der Sporthalle und kümmerte sich um die Zulassungen; das Dozentenzimmer war verwaist. Abgesehen vom Stampfen der Musik und einem gelegentlichen gedämpften Schlag irgendwo im Flur war das einzige echte Geräusch hier drinnen das elektrische Surren meines alten Monitors.
    Im Moment hatte ich zwei Dateien geöffnet. Bei der ersten handelte es sich um die Datenbank der Studenten, mit der ich schon seit Wochen
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