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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod
Autoren: Harry Thürk
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»Nun ja, Aloha Records ist ein führendes Unternehmen. Gute Finanzdecke. Wir sind rechtzeitig von Schallplatten auf Bänder und dann auf CD umgestiegen. Unsere Umsätze sind traumhaft. Geld kann da schon ein Motiv sein, ja.«
    Das mit den Umsätzen glaubte ich ihr aufs Wort. Aloha Records war ein Name mit gutem Klang in der pazifischen Region. Und Musik aus Hawaii fehlte nur selten in den Hitlisten der Anliegerstaaten, soweit sie nicht von einheimischen Firmen gefälscht wurden, um eine Popularität vorzutäuschen, die Dummköpfe zum Kauf verleitete.
    Â»Du warst in der Firma mit ihm zusammen, und dann war er plötzlich weg?« Ich stellte mich naiv, um sie ein bißchen aus der Reserve zu locken.
    Sie sprang darauf an. »Wir hatten eine Produktion abgeschlossen. Scheibe mit Folklore-Mix. Für Amerika gemacht, hauptsächlich. Waren zufrieden mit dem Ergebnis. Bei Aloha Records ist es üblich, so einen Erfolg mit einem Empfang zu feiern. Das taten wir. Danach erledigte ich noch ein paar Einkäufe. Als ich ins Studio zurückkam, zum Dachgarten, wo der Empfang noch lief, sagte mir die Sekretärin, Wes sei schon vor einer Stunde gegangen. Ohne sich zu verabschieden, was sonst nicht seine Art war. Er ist seitdem nicht wieder aufgetaucht.«
    Sie schwieg. Blickte durch die riesigen Fenster hinaus auf den Strand. In der Brandung schossen die Surfrider auf ihren Brettern durcheinander, zogen Kurven, ließen sich hochwirbeln, tauchten wie durch Zauber aus dem Schaum der Wellenkämme wieder auf. Ein faszinierender Anblick, der ein bißchen Neid wegen der Unbeweglichkeit der eigenen Knochen suggerierte. Aber ich besann mich auf den Anlaß, aus dem ich hier war. Wes Blair von Aloha Records war verschwunden.
    Â»Erster Wunsch«, sagte ich, »ist das Datum, an dem du Wes zuletzt gesehen hast, und die Zeit. Und dann eine Liste aller Teilnehmer an dem Empfang.«
    Sie riß sich von dem Anblick der herumkobolzenden Brettmänner los und sagte mir Datum und Zeit.
    Â»Die Liste der Leute beim Empfang bekommst du morgen. Ich lasse sie abtippen und zu dir ins Hotel bringen.«
    Â»Ich bitte darum.« Wenn ich wollte, konnte ich so verdammt förmlich sein, daß die Leute glaubten, es gäbe für mich in den exklusivsten Hotels von Hongkong jeweils einen Ehrenplatz als Auszeichnung für den Gentleman des Jahres.
    Das Mädchen in dem kurzen Rock baute sich dezent in der Nähe unseres Tisches auf, ganz ideale Kellnerin, eine Person mit Pflichtbewußtsein und erotischem Touch, die sich in angemessener Entfernung hält, um eine Unterhaltung der Gäste weder zu stören noch mitzuhören – und doch verfügbar zu sein, rufbar mit einer Geste.
    Laureen machte ihr ein Zeichen, sie hob leicht die Hand. Das Mädchen war der lebende Beweis dafür, daß Restaurants, in denen Touristen verkehren, nicht unbedingt rüpelhaftes Personal haben müssen, sie verbeugte sich leicht: »Etwas essen?«
    Laureen ließ sich nur kurz mit der Karte ein und fragte dann mich: »Laulau?«
    Ich hatte nicht die blasseste Ahnung, ob das ein Salat war, ein polynesischer Tanz oder eine unanständige Aufforderung, und als ich das bekannte, erläuterte mir das kurzberockte Wahinenmädchen mit dem Charme einer noch nicht ganz aufgeblühten Hibiskus blüte: »Es handelt sich um geräucherten Fisch und Schweinefleisch, das in Taroblättern gedämpft wird, Sir. Möchten Sie dazu Reis oder Bataten haben?«
    Laureen riet zu Bataten. Ich hatte nichts einzuwenden. Nachdem die Wahine davongeschwebt war, forschte ich bei Laureen weiter: »Affären?«
    Â»Du meinst Wes?«
    Â»Hatte er welche?«
    Sie schüttelte ein wenig zu energisch den Kopf, aber ich ließ das einstweilen auf sich beruhen, ich wollte nicht jetzt schon allzu unangenehme Fragen stellen. »Also keine, von denen du weißt. Feinde?«
    Sie atmete tief, wie jemand, der nach einer langen Autofahrt auf einem Felsen über dem Meer ankommt und sich die Lungen füllt.
    Â»Ich weiß weder von Affären noch von Feinden. Wes verstand sich mit jedem. Er pflegte auch niemanden zu übervorteilen. Manchmal denke ich, es könnte ein Unfall passiert sein, aber dann hätte ich es doch erfahren müssen ...«
    Nicht unbedingt, dachte ich. Wenn er beispielsweise ein Boot hat und damit aufs Meer fährt, wie das hier viele betuchte Unternehmer tun, kann eine Menge
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