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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod
Autoren: Harry Thürk
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Hände – alles das, was Wesley Blair dann geheiratet hatte. Eigentlich sollte man solche Wiederbegegnungen vermeiden, wenn man nicht gerade die Absicht hat, ein verglommenes Feuer neu zu entfachen. Ich hatte die bessere Einsicht vielleicht ein bißchen leichtfertig in den Wind geschlagen, als ich von Laureen die Anfrage bekam, ob ich für sie arbeiten wolle. Ich war neugierig. Und ich fand es ganz reizvoll, einen Auftrag auf den Inseln zu erledigen. Zumal mir Laureen signalisiert hatte, daß die Bedingungen äußerst günstig seien. Sie hatte meine Honorarforderung glatt verdoppelt.
    Â»Altes Mädchen«, sagte ich gerührt, weil sie nicht aufhörte, mich zu drücken.
    Die Hula-Sänger waren am Ende, die Burschen packten bereits ihre Ukeleles ein, da besann sich Laureen endlich, ließ mich los und sagte: »Willkommen auf den Inseln, Toko! Und wenn du mich noch einmal altes Mädchen nennst, zerkratze ich dir das Gesicht, wie damals am Strand von Big Wave Bay, als ich mit dem Boot nach Tung Lung Island rüber wollte, und du ...«
    Es gelang mir gerade noch, die detaillierte Schilderung meiner damaligen Wünsche zu verhindern, indem ich ihr einen Kuß gab, auf den sie wohl auch gewartet hatte, denn sie wurde ganz friedlich. Nahm mich beim Arm, winkte einem Träger, meinen Koffer zu übernehmen und machte mir dann die freudige Mitteilung: »Ich habe dich im Royal Hawaiian untergebracht, das wird dir sicher recht sein, oder?«
    Es hätte da schon ein »oder« gegeben, aber man mußte nicht Professor der Psychologie sein, um es unangebracht zu finden, daß eine Dame der besseren Gesellschaft, deren Gemahl abgängig ist, sich den Uralt-Freund zwei Wochen später ins Haus holt. Abgesehen auch davon, daß die Blairs ihren Wohnsitz in Waialae hatten, oberhalb von Honolulu, im Nordosten der wimmelnden Stadt, wo die ewig grüne Schönheit Oahus beginnt, an den Hängen der Koolau-Berge, wo die Flüsse abwärts stürzen, durch zauberhafte Täler und Schluchten, und wo es statt Beton Hibiskus gibt, Orchideen, Paradiesvogelblumen, Tigertatzen, riesige Anthurien, jede Art von Palmen, und – Geld.
    Das wurde zwar in Downtown Honolulu gemacht oder anderswo auf den Inseln, aber man verlebte es dort oben, wo man Pele nahe ist, der Göttin des aus der Erde schießenden Feuers, und den launischen Wolken, aus denen der Regen kommt, warm und sprühfein, manchmal wie Nebel, der labt, ohne zu nässen.
    Â»Ich bin sehr glücklich über das Royal «, vertraute ich Laureen an. »Es war mein Traum, dort wenigstens einmal im Leben zu logieren!« Das war nicht gelogen, und Probleme würde es nicht geben, weil wir nämlich vereinbart hatten, daß Laureen die Kosten für meine Unterbringung auf Oahu tragen würde.
    Das Royal Hawaiian war das älteste Hotel auf den Inseln, eine Legende, wie das »Raffles« in Singapore oder das »Peninsula« bei uns in Kowloon.
    Vor dem Flughafengebäude winkte Laureen einem dieser deutschen Luxusautos zu, das in der Nähe geparkt war. Der Fahrer lenkte es zu uns, stieg aus, zog artig die Mütze und beförderte meinen Koffer an seinen Platz. Ich beobachtete verblüfft, wie er den Träger entlohnte. Der vollendete Butler!
    Â»Bist du schon mal den Lunalilo-Highway entlanggefahren?« fragte Laureen, als wir nebeneinander saßen, auf bequemen Polstern, und der Chauffeur den Wagen anrollen ließ.
    Ich sagte ihr, daß die Strecke bei meinem letzten Besuch noch im Bau gewesen war. Daß es auch einige Hundert Betonburgen weniger gegeben hatte, damals, und es mir nicht sonderlich gefiel, wie sie die Sonne abfingen, bevor sie in die Straßen leuchten konnte, wenigstens eine Stunde am Tag. Laureen lächelte mitleidig. Sie wußte vermutlich, daß Hongkong mindestens ebenso viel Beton hatte wie Honolulu.
    Die Frau war älter geworden, ohne allerdings wirklich zu altern. Als Mädchen hatte sie eine dieser einfachen Ponyfrisuren getragen, die für Chinesenkinder so etwas wie eine Uniform sind. Jetzt schmiegte sich ihr volles, dunkles Haar sanft um ein Gesicht, das so gut wie faltenlos war. Die Augen hatten den alten Glanz. Sie strahlte etwas aus, das für mich zwischen Burschikosität und damenhafter Würde lag, eine anziehende Mischung, die es unwahrscheinlich erscheinen ließ, daß Laureen als Kind alle jene Übeltaten mit uns Jungen zusammen verübt hatte,
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