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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod
Autoren: Harry Thürk
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bekommt man hingegen echten Tropenjasmin, Zimtblüten und Hibiskus – sowie eine zarte Berührung durch die Lippen der Willkommensdame. Seitlich unter dem Auge. Aber damit nicht genug. Für eine entsprechende Summe kann man bei einer der einschlägigen Firmen sogar einen ganzen Chor von Grasrockdamen ordern, die einen umringen und etwas Sanftes singen. Je nach Abmachung auch etwas von den Beatles, aber immer auf der Ukelele begleitet, was sich ungemein folkloristisch macht.
    Oder man bestellt einen braunhäutigen Herrn mit Zylinder, der eine Willkommensrede nach dem Text hält, der von der Feier überliefert ist, die einst dem Entdecker Cook bereitet wurde. Wünscht man, daß dieser Akt im lokalen Fernsehen erscheint, so ist das ebenfalls noch bezahlbar bei normalem bis hohem Einkommen. Man denkt heute beinahe traurig an die Zeiten zurück, als besagter Captain Cook am Strand von Kauai durch tanzende und singende Eingeborene empfangen wurde, als der von den Weisen angekündigte große fremde Gott, den das Meer eines Tages bescheren würde, wie sonst Krabben und Fische. Ganz umsonst geschah das, denn die Insulaner jener Zeit kannten zwar ihre Legenden, aber kein Geld.
    Das brachten ihnen etwa vierzig Jahre später erst die Missionare aus Amerika. Zusammen mit der Grippe, den Feuerwaffen, Büstenhaltern, dem Tripper und Whisky. So verging die Herrlichkeit der Inseln, sagen manche. Aber so ganz vergangen ist sie eben doch nicht, wie ich finde ...
    Die Mädchen wippten in den Knien. Um die Oberschenkel bauschten sich die Grasröcke ebenso schön wie früher, obgleich sie jetzt aus Plaste waren. In den Haaren hatten sie Hibiskus blüten aus Seidenstoff stecken. Made in Taiwan. Ein paar Männer zupften die Ukelele. Im Halbkreis stand das alles da, und als ich am letzten Zollbeamten vorbei war, nach dem Schwur, daß ich weder Hund noch Katze, weder Apfelsinen noch Wurst an mir versteckte, geschweige denn Drogen, umringten mich die Insulaner, deren schneeweiße Zähne im Licht eines Scheinwerfers gefährlich blitzten. Eines der Mädchen legte mir eine Lei um den Hals, die hätte nach meiner Schätzung fünfzig Dollar kosten müssen. Dazu sang der Chor »Back to the Isle«. Und während das alles ablief, war ich der Mittelpunkt jeglichen Interesses. Die mit mir aus Hongkong angekommenen Passagiere verhielten staunend und überlegten wohl, welch eine besonders wichtige Person aus dem Showgeschäft ich sein könnte, daß man mir einen solchen Jubelempfang bereitete. Da es sich bei ihnen meist um Geschäftsreisende handelte, um Leute nüchternen Typs, hatten sie darauf verzichtet, bei einer Agentur die Zeremonie wenigstens mit einer Billig-Lei zu buchen, und so gab es nur hin und wieder noch ein Mädchen, das einem von ihnen mitleidig eine Blume zuwarf, gratis sozusagen. Ganz ausgestorben ist die demonstrative Gastfreundlichkeit der Insulaner nämlich nicht, wenngleich sie nicht in der Lage sind, sieben bis acht Millionen Besucher im Jahr duftend zu garnieren.
    Mir bricht nicht leicht der Schweiß aus, aber hier traten mir Tröpfchen auf die Stirn. Da hatte es einen Herrn gegeben, während meiner Polizistenzeit in Hongkong, der war Engländer und versuchte, die Devise durchzusetzen, daß jeder von uns wenigstens einmal am Tag richtig schwitzen müsse, der Gesundheit wegen. Er blieb bei mir erfolglos. Nur jetzt, in dieser Flughafenhalle, die erstklassig klimatisiert war, machte ich die Erfahrung, daß es gar keiner körperlichen Anstrengung bedarf, um jene Tröpfchen auf die Stirn zu zaubern. Der Empfang verwirrte mich, weil ich mich am liebsten überall so bewege, daß ich nicht auffalle. Hier fiel ich verdammt stark auf. Und außerdem hatte ich das ganze Theater ja nicht bezahlt! Ich malte mir die Rechnung aus. Das brachte noch mehr Schweiß auf meine Haut.
    Deshalb war ich erleichtert, als Laureen Blair auf mich zu lief, vorbei an den immer noch singenden Wahinen und den neugierigen Gaffern.
    Als ich ihre Arme um den Hals spürte, erinnerte ich mich an manches, das ein Gentleman lieber vergessen haben sollte, wenn er einer Jugendgespielin nach mehr als zwei Jahrzehnten wieder begegnet. Es waren angenehme Erinnerungen an wilde Ausflüge in die Tanzschuppen vergangener Zeit, an Boote, mit denen wir nachts weit hinausruderten, um mit uns allein zu sein, an den Geruch von Laureens Haar, die Zärtlichkeit ihrer
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