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Schwarze Adler, weiße Adler

Schwarze Adler, weiße Adler

Titel: Schwarze Adler, weiße Adler
Autoren: Thomas Urban
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Profis keine Chance mehr geben. Vor der Abreise der Mannschaft hielt auf dem Warschauer Flughafen ein Mann ein Spruchband mit der Aufforderung hoch: „Fliegt besser nicht und erspart uns die Schande!“ 5
    Idylle im Schwarzwald
    Górski schilderte später, dass er mit überaus gemischten Gefühlen die Reise in das Mannschaftsquartier Murrhardt im Schwarzwald angetreten habe: „Wir fuhren voller Befürchtungen in die Bundesrepublik. Ich kannte ja die Deutschen aus der Besatzungszeit und aus vielen Kriegsfilmen.“ 6 Górski hatte den Krieg in seiner Heimatstadt Lemberg überstanden. Kurz nach dem Einmarsch der Roten Armee im September 1939 spielte er in dem neugegründeten sowjetischen Club Dinamo. Als knapp zwei Jahre später die Wehrmacht einrückte, erklärten die deutschen Besatzungsbehörden sämtliche Vereine für aufgelöst. Nach dem deutschen Rückzug im Sommer 1944 trat er wieder kurze Zeit für Dinamo an, bevor er Soldat in einem polnischen Verband unter sowjetischem Oberkommando wurde. Nach dem Krieg musste er, wie weitere zwei Millionen seiner Landsleute, seine Heimat verlassen, die Sowjetunion hatte das damalige Ostpolen annektiert.
    In Murrhardt bezog die Mannschaft das Hotel „Sonne-Post“. Den Tipp hatte ein Vertreter des PZPN vom Bundesliga-Trainer Max Merkel erhalten. Dass in demselben Hotel genau zwei Jahrzehnte zuvor der Kader Sepp Herbergers während der Vorbereitungen zur WM in der Schweiz Quartier bezogen hatte, sahen die Polen als gutes Omen an.
    Im Quartier herrschte eine gelöste Atmosphäre, die Spieler waren in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt zwölf Wochen zusammen gewesen. Auch war die polnische Delegation gut ausgestattet: Adidas hatte erstmals die polnische Nationalmannschaft ausgerüstet, und ein deutscher Maschinenbauer, der oberschlesische Bergwerke belieferte, hatte Videokameras und -rekorder sowie einen Mercedes gestiftet. 7
    Die gute Stimmung hoben noch die Einwohner von Murrhardt. Nicht nur der Bürgermeister, sondern auch viele andere Bürger der Stadt gaben sich alle Mühe, den Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Górski stellte fest, dass es sich „um völlig andere Leute“ handelte als die Deutschen, die er aus dem Krieg und der Parteipropaganda kannte. 8
    Die gute Stimmung trübte allerdings die „Bild“-Zeitung drei Tage vor dem Eröffnungsspiel. In großer Aufmachung berichtete sie, die Polen seien bei Doping-Proben durch die FIFA aufgefallen. Die Nachricht war falsch, die positiven Proben stammten von Polens WM-Gegner Haiti. Entsprechend groß war die Aufregung in der polnischen Presse. Der „Przegld Sportowy“ schrieb von einem „ordinären Angriff auf die polnischen Spieler“. 9
    Diese ließen sich allerdings nicht durch die Presseberichte aus der Ruhe bringen. Sie gewannen das erste Spiel gegen die hoch favorisierten Argentinier mit 3:2 und überrollten im nächsten Haiti mit 7:0.
    Gerüchte über Dollarbündel
    Nach diesen beiden Siegen war Polen für die Zwischenrunde qualifiziert. Als dritter Gegner stand nun Italien an. Den amtierenden Vizeweltmeistern reichte ein Unentschieden, um ebenfalls im Turnier zu bleiben. Torwart Tomaszewski berichtete später, Italiens Verteidiger-Legende Giacinto Facchetti persönlich habe versucht, ihn zu bestechen. Noch in der Pause, als die Polen 2:0 führten, hätten italienische Funktionäre dem polnischen Trainerstab Angebote gemacht. 10
    Doch auch die Argentinier blieben vor der Partie Polen–Italien offenbar nicht untätig. Da Polen ja bereits die nächste Runde erreicht hatte, wollten die Südamerikaner sie gegen die Italiener mit Dollarbündeln zu Höchstleistungen anspornen. Wenn Italien verlöre, käme Argentinien in die nächste Runde. Die polnische Presse berichtete drei Jahrzehnte später, die Argentinier hätten Gadocha mehrere Tausend Dollar für die Mannschaft gegeben. Doch habe dieser das Geld für sich behalten. Als Zeugen für diese Version wurden Gadochas Ex-Frau genannt, die die Geldbotin gewesen sei, sowie sein damaliger Mannschaftskamerad Grzegorz Lato. Dieser gab an, ein argentinischer Nationalspieler, mit dem er später beim mexikanischen Club Atlante spielte, habe ihm davon erzählt. 11 Gadocha, der seit Langem in den USA lebt, dementierte allerdings diese Berichte.
    Jedenfalls gewann Polen 2:1
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