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Schwarze Adler, weiße Adler

Schwarze Adler, weiße Adler

Titel: Schwarze Adler, weiße Adler
Autoren: Thomas Urban
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sich Engländer und Polen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Gruppensieg, so dass das Rückspiel im Wembley-Stadion die Entscheidung bringen musste, welche der beiden Mannschaften zur WM fahren durfte. Die Engländer mussten unbedingt gewinnen, den Polen reichte ein Unentschieden.
    Die Londoner Sportpresse heizte die Stimmung mit Artikeln über die „rückständigen Polen“ auf, es werde eine Kleinigkeit sein, sie vom Platz zu fegen. Der englische Trainer Brian Clough wurde mit den Worten zitiert, Torwart Tomaszewski, der mittlerweile die polnische Nummer 1 war und im Hinspiel einen Elfmeter gehalten hatte, sei ein Clown. Górski schilderte Jahre später die Atmosphäre vor dem Anpfiff: „Meine Spieler gingen hinaus, um den Rasen zu überprüfen. Da riefen diese englischen Gentlemen: ‚Da kommen die wilden Tiere!‘ Zuvor hatte das Fernsehen Bilder von einem Urwald gezeigt, von wildem Getier und dann unserer Mannschaft. Die Zeitungen schrieben: ‚Die Bauerntölpel sind gekommen.‘“ 3
    Es war ein wahrer Sturmlauf der um Alles oder Nichts kämpfenden Engländer, angefeuert von 100.000 Zuschauern. Doch Tomaszewski erlebte den besten Tag seiner Karriere – er rettete das 1:1 und ging als der „Held von Wembley“ in die Annalen des polnischen Fußballs ein. Nach dem Schlusspfiff herrschte im weiten Rund für einige Momente absolute Stille. England war gedemütigt, der Weltmeister von 1966 durfte nicht zur WM in das Land des damaligen Finalgegners fahren. Górski sah, wie einige der englischen Spieler die Tränen nicht zurückhalten konnten.
    Die Rückkehr des verlorenen Sohns
    Allerdings standen die Vorbereitungen der Weißen Adler zur WM unter keinem guten Stern. Zwei Spieler, die Górski fest eingeplant hatte, konnten nicht mit in die Bundesrepublik reisen: Der Oberschlesier Włodzimierz Lubaski war nach seiner Verletzung aus dem ersten England-Spiel noch nicht einsatzbereit; der ebenfalls aus dem Industrierevier stammende Jan Banamusste dagegen aus politischen Gründen zu Hause bleiben.
    Banahatte sich nämlich 1965 als erfolgversprechendes Talent bei einem Spiel seines Clubs Polonia Bytom in Schweden abgesetzt und war von dort in die Bundesrepublik gereist. Dahinter stand sein deutscher Vater, der in Hof in Oberfranken lebte. Banawar 1943 in Berlin geboren und auf den Namen Heinz-Dieter getauft worden. Durch die Kriegswirren wurden seine Eltern getrennt. Der Vater fand die Frau und den Sohn erst wieder, nachdem er zwei Jahrzehnte später dessen Namen in der Sportpresse gelesen hatte. Dass Banaohne Genehmigung seinen Verein verlassen hatte, meldete der PZPN der FIFA, diese sperrte ihn für zwei Jahre.
    Zunächst trainierte er bei der Spielvereinigung Hof. Der Hofer Clubpräsident erkannte sein Talent, sah eine Chance, das Vereinsbudget aufzubessern, und vermittelte Banaan den 1. FC Köln, der diesem auch prompt einen Vertrag anbot. Allerdings bekam er keine Spielerlaubnis, weil sein alter polnischer Verein ihn nicht freigegeben hatte. So trainierte er nur in Köln, führte bei Trainingsspielen aber die zweite Mannschaft wiederholt zu Siegen über die erste mit den Stars Wolfgang Overath und Wolfgang Weber, die erst kurz zuvor bei der WM 1966 in England Vizeweltmeister geworden waren. Wegen seines Vertrags mit dem Kölner Club kam es indes zum Bruch mit seinem Vater, der selbst vor dem Krieg in der Breslauer Bezirksklasse gekickt hatte: Dieser verlangte nämlich einen Teil des Monatslohnes seines Sohnes für sich.
    Angesichts der sportlichen Sackgasse in Köln und des Familienstreites beschloss Bananach knapp zwei Jahren in Oberfranken und im Rheinland die Rückkehr in die Volksrepublik Polen. Die von der Arbeiterpartei gelenkte Presse berichtete ausführlich über die Rückkehr des „verlorenen Sohnes“ und verbuchte sie als kleinen Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus. Der reumütige Banadurfte wieder für seinen alten Club spielen und wurde auch in Ehren wieder in die Nationalmannschaft aufgenommen. Doch zur WM in die Bundesrepublik durfte er nicht mitfahren. Die Partei und der PZPN wollten nicht das Risiko eingehen, dass er sich ein zweites Mal absetzt. 4
    Als Kazimierz Górskis Mannen bei zwei Vorbereitungsspielen gegen den VfB Stuttgart und Fortuna Düsseldorf nicht besonders gut aussahen, wollte die Warschauer Sportpresse ihnen bei den WM-Spielen gegen die westlichen
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