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Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schwanenlied: Der fünfte Fall für Katrin Sandmann (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Autoren: Sabine Klewe
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großer Bruder hatte sie ihr erzählt. Vor allem über den Dämon hatte sie immer alles ganz genau wissen wollen. Zu Hause, in eine warme Decke gehüllt auf dem Bett, hatte sie die Schauergeschichten genossen, doch wenn sie dann in der Frühe die Milch abliefern musste, schlotterten ihr die Knie vor Angst.
    Meistens stellte sie die Kanne nur rasch ab und rannte, so schnell sie konnte, zurück nach Hause. Dem Hausherrn, einem dürren, ernst blickenden Mann mit riesigen Händen, wollte sie lieber nicht begegnen, und dem Dämon schon gar nicht.
    Kaum zu glauben, dass Marius Grauweiler damals erst Ende zwanzig gewesen sein musste. Wenn Anna versuchte, sich seine Erscheinung in Erinnerung zu rufen, sah sie immer einen alten Mann vor sich, das Gesicht ausgemergelt, eine tiefe, allumfassende Trauer in den Augen. Der Dämon hatte ihm die Lebensfreude geraubt.
    Anna setzte sich wieder in Bewegung. Als Kind hatte sie den Anstieg kaum bemerkt. Doch jetzt brannte jeder Schritt in ihren Gliedern wie eine kleine Stichflamme. Dabei war sie noch gar nicht so alt, viel jünger als Marius Grauweiler, und der hatte sich bis kurz vor seinem Tod selbst versorgt. So, wie er es sein Leben lang getan hatte.
    Der Hof tauchte auf, und unwillkürlich wurden Annas Schritte langsamer. Am Tor blieb sie stehen. Alles schien still. Zu still. Selbst das Singen der Vögel, das sie auf ihrem Weg begleitet hatte, war verstummt. Anna schlug das Kreuz und faltete die Hände. Der Dämon ließ sich nicht blicken. Nicht am helllichten Tag. Aber er würde sich zeigen, ganz gewiss. Jetzt, wo der alte Marius tot war, war er herrenlos. Er würde in der Gegend umherirren und sich eine neue Bleibe suchen, wenn das Haus nicht rasch wieder bewohnt wurde.
    Anna begann zu frösteln. Zeit, umzukehren. Trotz der Schmerzen rannte sie beinahe. Und sie hielt erst inne, als sie ihre eigene Haustür hinter sich geschlossen hatte.

2
    Donnerstag, 10. Mai

    Der Landrover kroch über die Autobahn. Mit jedem Kilometer schien er langsamer zu werden. Manfred fuhr, Katrin saß auf dem Beifahrersitz und sah aus dem Fenster, an dem gelb blühende Rapsfelder vorbeiflogen. Dieser Fahrstil entsprach ganz und gar nicht Manfreds Gewohnheit. Normalerweise lenkte er den Wagen hart am Tempolimit durch den Verkehr, gab Vollgas, wenn die Ampel auf Gelb umschlug, und hupte langsame Fahrer ungeduldig weg. Heute war Manfred derjenige, der angehupt wurde. Er zockelte über die Autobahn, als würde es ihm mit jedem Kilometer schwerer fallen, sich der ungeliebten Heimat zu nähern. Glücklicherweise war nicht viel los, und Manfred fuhr nicht so langsam, dass er ein gefährliches Verkehrshindernis darstellte.
    Katrin blickte einem Jaguar nach, der sie mit hoher Geschwindigkeit überholte. Vielleicht sollte sie sich endlich wieder einen eigenen Wagen zulegen, sie hatte schon viel zu lang damit gewartet. Es war inzwischen mehr als ein Jahr her, seit sie in einem Parkhaus mit ihrem Auto entführt worden war. Die Erinnerung an die Tage in Gefangenschaft verblasste allmählich, doch gewisse Dinge bereiteten ihr noch immer Unbehagen. Kellertreppen etwa oder Parkhäuser. Zudem war der Golf Cabrio ihr erstes eigenes Auto gewesen. Es fiel ihr schwer, ihn zu ersetzen.
    Katrin klappte das Notizbuch zu, das auf ihrem Schoß lag. Manfreds Schneckentempo hatte es ihr immerhin erleichtert, noch ein paar Dinge aufzuschreiben, die sie keinesfalls vergessen durfte. Seit Ruths Anruf vor zwei Tagen hatte sie keine ruhige Minute mehr gehabt. Sie hatte mehrere Stunden gebraucht, um Manfred zu überreden, zu der Beerdigung zu fahren. Mit trotzig verschränkten Armen hatte er dagesessen, während sie ihm etwas von Anstand, Höflichkeit und Respekt erzählt hatte. Am Schluss hatte sie das Gefühl gehabt, dass er nie vorgehabt hatte, der Beerdigung fernzubleiben, sondern nur hatte demonstrieren wollen, wie sehr er alles verabscheute, was mit familiären Pflichten zusammenhing.
    Katrin scherte das nicht, denn ihre Überredungsversuche waren alles andere als uneigennützig gewesen. Sie war neugierig. Neugierig auf Manfreds Heimatdorf, das sie noch nie gesehen hatte. Sie wollte das Haus sehen, in dem er aufgewachsen war, die Wälder, in denen er als Kind gespielt hatte. Bisher hatte er jedes Mal abgeblockt, wenn sie ihm vorgeschlagen hatte, in die Eifel zu fahren.
    »Ich habe geschworen, dieses Haus nie wieder zu betreten, und ich habe es ernst gemeint«, hatte er geantwortet und so jedes weitere Gespräch zu dem Thema im Keim
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