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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn
Autoren: Klaus Wanninger
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Mal«, sagte er, »aber es ist lange her. Und dass es so schön ist, hatte ich nicht in Erinnerung.«
    Sie waren den Weg vom alten Forsthaus an der Mündung der Mahdental-Straße in die Magstadter Straße hochgelaufen, eilten durch den lichten Wald. Als sie den Bärensee in seiner vollen Länge vor sich liegen sahen, bot sich ihnen ein absurdes, fast unwirkliches Bild: Das Heck eines Autos ragte aus dem Wasser. Braig blieb stehen, starrte auf die surreal anmutende Szenerie.
    »Es ist kaum zu fassen!«, schimpfte Neundorf neben ihm, die Hand auf der Stirn. »Wer fährt hier einen Karren ins Wasser?«
    Braig zuckte mit der Schulter, sah, dass sich der Wasserspiegel leicht bewegte. Ein in der Sonne glänzender, mehrere Meter breiter Ölfilm breitete sich rings um das Auto aus.
    »Ölschlieren«, sagte er, »das Wasser ist schon verschmutzt.«
    »Die werden sich freuen«, erklärte Neundorf, »mitten im Naturschutzgebiet.«
    Sie folgten dem Weg abwärts, sahen eine aufgeregte Menschenmenge auf dem Damm zwischen den beiden Seen stehen, die neugierig die Bemühungen zweier Männer verfolgten, unweit des Autos ein Schlauchboot-artiges Gefährt ins Wasser zu lassen. Vielstimmige Kommentare schwirrten durch die Luft.
    »Selbschtmord? Nie ond nimmer!«
    »Der war scho längscht dot, bevor die den ins Wasser gschmisse hent.«
    »Blödsinn! Der isch jämmerlich in dem Karre versoffe!«
    Zwei uniformierte Beamte hatten alle Hände voll zu tun, darauf zu achten, dass das mit rot-weißen Bändern abgesperrte Gelände am Ufer nicht betreten wurde.
    Braig und Neundorf drängten sich durch die Menge, stellten sich den Kollegen vor.
    »Endlich!«, seufzte der Jüngere der beiden Männer, ein kräftiger, rotbackiger Mittdreißiger, »wir haben schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass noch jemand kommt.«
    »Tut mir Leid«, antwortete Neundorf, »bedankt euch beim Herrn Oberstaatsanwalt. Der hat nur noch ein Thema: Erpressung durch internationale Terroristen.«
    Der uniformierte Beamte nickte mit dem Kopf. »Das sollte kein Vorwurf sein. Aber so geht das jetzt seit fast einer Stunde.« Er zeigte auf die Meute der Neugierigen, die ihre Unterhaltung wissbegierig verfolgten.
    Neundorf winkte verständnisvoll ab, schaute zu dem Fahrzeug im Wasser. Es handelte sich um einen E- Klasse Mercedes mit grauer Lackierung. Ob sich Menschen darin befanden, war von ihrer Position aus nicht zu erkennen. »Das Auto war besetzt?«
    Der Schutzpolizist nickte. »Ein Mann. Sie sehen es nur von dort vorne.« Er zeigte zum Damm. »Er muss tot sein. Sein Körper liegt auf dem Boden vor den Vordersitzen. Ihre Kollegen versuchen gerade, das Auto zu erreichen.«
    Braig lief zu der Stelle, die der Beamte angedeutet hatte, schaute zu dem Fahrzeug über den See. Der Blick durch die Beifahrerscheibe bestätigte es: Das schmale, mit einer dunkelgrauen Hose bekleidete Hinterteil eines Menschen war zu erkennen, etwa in der Mitte zwischen den beiden Vordersitzen in die Höhe ragend. Kopf, Arme und Beine der Person mussten im Wasser stecken, dessen Oberfläche fast bis ans Armaturenbrett reichte.
    »Sieht böse aus, was?«, schimpfte Neundorf, die ihrem Kollegen gefolgt war.
    Braig nickte mit dem Kopf. »Ein grauenvoller Tod.«
    »Wenn er so starb, wie es aussieht, allerdings.«
    Er hörte bekannte Stimmen, sah Helmut Rössle auf einem Schlauchboot-artigen Gefährt vorsichtig zu dem Auto im Wasser paddeln. Der Kriminaltechniker kniete in gebückter Haltung auf der leicht schwankenden Unterlage, tauchte ein schmales Ruder abwechselnd links und rechts in den See. Hinter ihm wartete Lars Rauleder am Ufer, das Seil, an dem das Schlauchboot befestigt war, in Händen. Seine Hosen waren nass bis weit übers Knie. Um ihn herum lagen mehrere Werkzeuge, dazu ein großer Rucksack samt Stahlkoffer, scheinbar wahllos im Gelände verstreut.
    Braig ging auf Rauleder zu, grüßte.
    »Alle achtzig Deifel von Sindelfinge, die Dame und Herre Kommissare sind au schon hier«, schimpfte Rössle vom See her. Er hatte das Auto erreicht, hielt alle Einzelheiten mit einer digitalen Kamera fest.
    »Tut mir Leid«, entschuldigte sich Neundorf, »wenn du dich beschweren willst, wende dich an Koch.«
    Rössle richtete sich schwerfällig auf, versuchte, die Kamera aufs Innere des Fahrzeugs zu richten. Das Boot schwankte leicht, ließ ihn straucheln. Er fluchte leise, bemühte sich um Gleichgewicht, fotografierte direkt durch die Scheibe. »Bitte, dut mir oin Gfalle: Erwähnet den Kotzbrocke net mehr«,
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