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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn
Autoren: Klaus Wanninger
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»Es sieht so aus, ja. Die Begründung für ihr Vorgehen allerdings ist außergewöhnlich, wobei ich nicht weiß, ob man es ernst nehmen kann. Koch jedenfalls hält es nur für vorgeschobene Phrasendrescherei. Sie verweisen auf die weltweit beobachtbaren klimatischen Veränderungen und die daraus resultierenden Folgen wie das Abschmelzen gigantischer Eisberge, die zu erwartende Überflutung vieler Länder, Dürreperioden und Verwüstung ganzer Regionen sowie das immer häufigere Auftreten von Unwettern aller Art. Bald seien ganze Völker zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen, weil die Erwärmung immer weitere Landstriche in Wüsten und Steppen verwandle. Die Ursachen für diese Entwicklung seien in erster Linie im anschwellenden Auto- und Flugverkehr zu suchen. Ihre Aktion ziele dahin, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, denen die Hauptschuld für diese sich anbahnende Katastrophe zukomme. Wenn es schon nicht möglich sei, deren unheilvolles Treiben einzuschränken, sollten sie wenigstens einen finanziellen Beitrag leisten, der den Betroffenen zugute kommen solle. Der Verkauf von Autos in alle Regionen unseres Globus und der zunehmende Luftverkehr lasse Autofirmen und Luftverkehrsunternehmen irrsinnige Summen verdienen, während die Konsequenzen ihres Tuns auf die Ärmsten der Armen abgewälzt würden. Ihre Forderungen seien nichts als bescheidene Ausgleichsmaßnahmen...« Neundorf wurde mitten in ihren Erläuterungen vom Klingeln ihres Telefons unterbrochen.
    »Die haben das so ausführlich formuliert?«, fragte Braig verblüfft.
    Seine Kollegin nickte bestätigend, lief in ihr Büro, griff nach dem Telefon.
    »Und Koch will nicht darauf eingehen?«, setzte er nach.
    »Das seien nur Ablenkungsmanöver, behauptet er. Man müsse die Sache im internationalen Kontext betrachten. Erkenntnisse der Geheimdienste belegten eindeutig die neue Strategie global agierender Terroristen: bewusste Desinformation, um über die eigentlichen Ziele hinwegzutäuschen.«
    Neundorf nahm den Hörer ab, meldete sich.
    Das laute Schimpfen einer kräftigen Männerstimme drang bis an Braigs Ohren. Er verstand irgendetwas von Wasser und einem Auto, das darin gefunden worden war, und dass die lokalen Beamten seit geraumer Zeit auf die Hilfe der Kollegen warteten.
    »Wo soll das sein?«, fragte Neundorf.
    Die Antwort des Mannes blieb Braig nicht lange verborgen.
    »Im Bärensee?«, rief seine Kollegin überrascht, erklärte dann, nach zwei, drei Sekunden des Überlegens, ihre Bereitschaft zu kommen und die Ermittlungen zu übernehmen. Sie legte den Hörer auf, sah zu Braig. »Kommst du mit? Ein Toter in einem Auto im Bärensee. Die Kollegen rufen seit einer halben Stunde nach einem Untersuchungsteam, aber niemand reagiert. Koch hat alle Kräfte gebunden.«
    Der Kommissar schaute sie verwundert an. »Wirklich im Bärensee?«, vergewisserte er sich. »Ich dachte, der liegt in einem Naturschutzgebiet, wo keine Autos fahren dürfen.«
    Neundorf betrachtete ihn nachdenklich, fuhr sich über die rechte Wange. »Seltsam, was? Dass dort Autos erlaubt sind, ist mir auch neu.«

3. Kapitel
    Der Blick auf den lang gestreckten, in ein schmales Tal gezwängten See bot eines der schönsten Panoramen, das Braig je zu Gesicht bekommen hatte. Erstaunt blieb er stehen, ließ die einzigartige Anmut der Landschaft auf sich wirken. Ihm zu Füßen der Spiegel des Wassers, eingerahmt von sanft ansteigenden, teils bewaldeten, teils mit Wiesen bewachsenen Hängen und Terrassen, darüber, auf der höchsten Erhebung, das Bauwerk des als Bärenschlößle bezeichneten Pavillons, vor wenigen Jahren nach historischem Vorbild des 1768 vom württembergischen Herzog Carl Eugen errichteten Jagdschlosses erstellt. Das schmucke Gebäude fügte sich harmonisch in die Naturlandschaft ein. Rechter Hand im Tal, direkt an den Bärensee anschließend, das lang gezogene, in eine enge Waldschlucht gezwängte Gewässer des Neuen Sees, der, wie Braig wusste, etwa einen Kilometer unterhalb, nur von einem schmalen Damm unterbrochen, vom nicht weniger idyllischen Pfaffensee ergänzt wurde. Urwald-ähnliche, unter Naturschutz stehende Baumformationen zogen sich rings um die Seen in die Höhe, im hellen Grün des erwachenden Frühlings leuchtend.
    »Du bist zum ersten Mal hier?«, fragte Neundorf, die Braigs bewundernde Blicke bemerkt hatte.
    Er löste sich aus seiner Starre, atmete kräftig durch. Das würzige Aroma junger Blüten und harzigen Holzes lag in der Luft. »Nein. Nicht zum ersten
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