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Schumacher, Jens - Deep

Schumacher, Jens - Deep

Titel: Schumacher, Jens - Deep
Autoren: Jens Schumacher
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wirkte. Nachdem der Archäologe Henrys Gepäck auf der hinteren Ladefläche verstaut hatte, verkündete er gut gelaunt, zum Borobudur sei es nicht allzu weit.
    Wie Henry im Anschluss lernen musste, bedeutete »nicht allzu weit« auf Java noch längst nicht, dass man auch rasch am Ziel war. Unmittelbar nach ihrem Aufbruch vom Flughafen gerieten sie in eine nicht abreißen wollende Kolonne von Pkws, Taxis, Bussen und Motorrollern. Zunächst nahm Henry an, es handele sich um den üblichen Stoßverkehr einer größeren Stadt. Doch schon bald dämmerte ihm, dass all die lärmenden, voll besetzten Fahrzeuge dasselbe Ziel hatten wie Dr. Pelham und er: die Kedu-Ebene, auf der sich die heilige Tempelanlage von Borobudur befand.
    »Als Dad mich einlud, ihn und sein Team hier zu besuchen, war mir nicht klar, dass der Borobudur eine internationale Sehenswürdigkeit ist«, gab er zu. »Die Bilder, die man im Internet von der Anlage findet, wirken eher einsam, beinahe ausgestorben.«
    »Volle Absicht«, entgegnete Pelham. »Die indonesische Fremdenverkehrsbehörde will schließlich nicht, dass die Besucherströme abreißen.« Er bremste abrupt und betätigte erneut die Hupe, als vor ihnen ein Lieferwagen mit mindestens zwei Dutzend bunt gekleideter Touristen auf der Ladefläche ohne erkennbaren Grund stoppte.
    »Normalerweise liegen Dads Einsatzgebiete an Orten, wohin sich sonst in hundert Jahren niemand verirrt.« Unwillkürlich zogen Bilder der spartanischen Camps vor Henrys geistigem Auge auf, in denen er während verschiedener Expeditionen mit seinem Vater und dessen Forscherkollegen gehaust hatte: klatschnasse Zelte im tropischen Urwald Südamerikas; versandete Bretterverschläge im Tal der Könige in Ägypten; enge Thermozelte in den trostlosen Weiten der Antarktis … Henry zuckte zusammen, als er erneut an ihre letzte gemeinsame Expedition dachte, von der sie erst fünf Monate zuvor mit Mühe und Not lebend zurückgekehrt waren. Er verdrängte die Erinnerung und richtete seinen Blick wieder auf den mächtigen Tempel, der vor ihnen größer und größer wurde.
    »Ich fürchte, dein Vater hatte sich die Arbeit auf Java auch etwas ruhiger vorgestellt.« Pelham wies anklagend auf die Blechlawine rings um den Land Rover. »Die Indonesier vermarkten ihr Weltkulturerbe wie ein kleines Disneyland.« Er umrundete einen rostzerfressenen Kleinbus, der mit qualmendem Motor am Straßenrand liegen geblieben war. »Denk nur an die Armada von Verkaufsständen bei Plonkeng.«
    Henry verstand, was der Archäologe meinte. Unmittelbar hinter dem kleinen Ort war die Straße auf einer Strecke von über einem Kilometer von Verkaufstischen gesäumt gewesen, an denen Steinmetze Miniaturen des Borobudur feilboten, Nachbildungen der Mauerkunstwerke sowie handliche Ausgaben von so ziemlich jedem Heiligen aus der buddhistischen Glaubenslehre.
    »Und das war noch gar nichts gegen das, was noch kommt.« Pelham hob einen Arm. »Schau!«
    Vor ihnen war ein gewaltiger Parkplatz aufgetaucht. Hunderte, wenn nicht Tausende von Autos drängten sich dicht an dicht. Dahinter erstreckte sich ein grau gepflasterter Weg zum Heiligtum selbst, der sich zwischen grünen Wiesen und tropischen Baumgruppen hindurchschlängelte. Er war gesäumt von bunt geschmückten Verkaufsständen, zwischen denen sich Horden von Touristen drängten und Bilder des Borobudur, Buddha-Statuen und andere Erinnerungsstücke begutachteten.
    »Oh Mann.« Henry fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Faszination und Abscheu. »Das müssen ja Tausende von Menschen sein. Sind das alles Touristen?«
    Pelham schüttelte den Kopf. »Es kommen auch viele Einheimische hierher. Anhänger des buddhistischen Glaubens legen weite Strecken zurück, um die berühmten Steinreliefs mit Darstellungen aus dem Leben Buddhas mit eigenen Augen zu betrachten.« Der Archäologe richtete sich in seinem Sitz auf und sah sich konzentriert nach allen Richtungen um. »Ich fürchte, es wird eine Weile dauern, bis ich einen Platz für den Wagen finde. Wenn du willst, steig ruhig schon aus und schau dir den Tempel an. Wir treffen uns am Rand des Vorplatzes, am Ende der Verkaufsmeile. Dein Gepäck bringe ich mit. Alles klar?«
    »Alles klar.« Henry wartete nicht, bis Pelham den Land Rover zum Stehen gebracht hatte. Er kletterte auf den Beifahrersitz und sprang über die geschlossene Tür nach draußen. Kaum stand er, wurde er bereits vom Sog der vorwärtsströmenden Menschenmassen erfasst. Da sie auf den Tempel zuhielt,
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