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Schrei Aus Der Ferne

Schrei Aus Der Ferne

Titel: Schrei Aus Der Ferne
Autoren: John Harvey
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Mutter und drei Geschwistern etwa eine Meile von Littleport entfernt auf einem inoffiziellen Stellplatz für Zigeuner und Landfahrer, einem wenig ansprechenden Stückchen Erde zwischen dem Old Croft River und Mow Fen.
    Als Will später an jenem Tag über die schmale Straße fuhr   – kaum mehr als ein Weg   –, hing die Sonne tief am Himmel, dunkelrot und von Wolken zerschnitten.
    Vier Wohnwagen waren wie zum Schutz gegen feindliche Elemente und den durchdringenden Wind mehr oder weniger kreisförmig angeordnet. Fast erloschen schwelte ein Feuer an einer Stelle etwa in der Mitte, Spielzeug und diverse Fahrräder lagen verstreut herum. Direkt außerhalb des Kreises standen zwei Autos; ein drittes ohne Räder war etwas weiter hinten auf dem Weg auf Ziegelsteinen aufgebockt.
    Als Will an die Tür des ersten Wohnwagens klopfte, hörte er das tiefkehlige Knurren eines Hundes, der zu bellen begann, als er noch einmal klopfte. Eine Stimme im Inneren schrie den Hund an aufzuhören, dann wurde offenbar etwas durch die Luft geschleudert, und ein Jaulen ertönte, bevor wieder Stille einkehrte. Niemand kam an die Tür.
    Will wurde klar, dass er sich zu den feindlichen Elementen zählen musste.
    Als er schließlich beim dritten Wohnwagen ankam, war seine Ungeduld nicht mehr zu verkennen: Er trat mit demFuß an die Tür und stieß eine scharfe Warnung aus, die Polizei nicht bei ihren Ermittlungen zu behindern. Dazu den Namen des Mädchens. Noch ein Hund fing zu bellen an, anders als der erste. Eine andere Stimme befahl ihm, ruhig zu sein, drohte dem Tier Gott weiß welche Strafe an, und das Bellen hörte auf.
    Langsam öffnete sich die Tür.
    Der Mann, der dort stand, musste sich seiner Größe wegen ein wenig in der Türöffnung ducken; er hatte eine silbergraue Haarmähne, die auf seinen Schultern auflag, und seine Nase war nicht nur einmal gebrochen. Er trug einen zerlumpten Pullover über einem kragenlosen Hemd und eine schwarze Hose mit einem ausgefransten Seil als Gürtel; in der linken Hand hielt er einen lackierten Spazierstock, auf den er sich beim Stehen stützte. Einen Moment lang erblickte Will den Hund zwischen seinen Beinen, dann war er verschwunden.
    »Martina Jones«, sagte Will.
    »Was ist mit ihr?« Die Stimme war rau und krächzend. Will hätte den Mann auf sechzig oder älter geschätzt, wäre da nicht das Leuchten in seinen Augen gewesen.
    »Sie lebt hier?«
    »Was geht Sie das an?«
    »Lebt sie hier?«
    »Jawohl«, sagte der Mann. »Wenn sie Lust hat.«
    »Könnte ich vielleicht reinkommen?«, fragte Will.
    Der Mann rührte sich nicht vom Fleck.
    Um sie herum rührte sich jetzt allerlei: Die Stimmen von Erwachsenen und auch von Kindern waren zu hören; die Bewohner kamen heraus, wollten wissen, was los war.
    »Was«, sagte der Mann, »hat Martina jetzt schon wieder angestellt?«
    »Schon wieder?«
    Der Mann sah ihn unbeeindruckt an.
    »Was soll das heißen, schon wieder?«, fragte Will.
    »Tut nichts zur Sache.«
    »Sie sagen damit   …«
    »Ich weiß, was ich damit sage.« Er klopfte mit dem Stock auf den Boden. »Wo ist das Mädchen?«
    »Im Krankenhaus. In Huntingdon.«
    »Also ist es was Ernstes?«
    »Ziemlich ernst.«
    Der Mann fluchte und stieß den Stock heftig gegen die Seite des Wohnwagens, was ein kleines Kind im Inneren zum Weinen brachte. »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Sie ist an der A10 entlanggelaufen.«
    »In Gottes Namen«, sagte der Mann und schlug seinen Stock noch einmal gegen den Wohnwagen, »habe ich sie nicht immer wieder davor gewarnt?«
    »Wovor gewarnt?«
    »Vor dem Weglaufen.«
    »Ist Martinas Mutter hier?«, sagte Will.
    »Das ist doch egal.«
    »Wenn sie hier ist   …«
    »Sie sprechen mit mir, das muss genügen.«
    »Sind Sie Martinas Vater?«
    Er lachte. »Seh ich etwa so aus?«
    Will hob beide Schultern. »Ist er denn hier? Der Vater?«
    »Wenn er hier wäre, würde ich ihm mit diesem Stock den Kopf abschlagen und ihn an die verfluchten Krähen verfüttern.«
    Eine jüngere Frau erschien hinter ihm in der Türöffnung, ein Baby mit verschmiertem Mund an der nackten Brust.
    »Was ist los?«, fragte sie. »Geht es um Martina? Hat er Martina gesagt?«
    »Geh wieder rein und zieh dir was an, verdammt.«
    »Jemand muss ins Krankenhaus mitkommen«, sagte Will.»Sie und Martinas Mutter. Es gilt einige Fragen zu beantworten. Wie es dazu gekommen ist, dass man sie dort gefunden hat. Ein paar andere Sachen.«
    Er sagte nichts über Wunden auf der Schulter des Mädchens, die
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