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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera
Autoren: Rosa Cerrato
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Hexe, hat ihn nicht rausgelassen, sie hat sich vor die Tür gestellt, und da ist ihm die Sicherung durchgebrannt, er hat sie geschubst, und sie ist gefallen. Franci dachte wohl, er hätte sie umgebracht und hat die Krise gekriegt, ich hab versucht, ihn zurückzuhalten, ihn zur Vernunft zu bringen, deshalb bin ich hinter ihm her, aber diese Drecksäcke«, er deutete mit dem Kinn auf die zwei Polizisten, »haben sofort angefangen zu brüllen und uns zu drohen, ergebt euch, macht keinen Scheiß, sonst rufen wir das SEK, da hat er einfach den Kopf verloren, wollte sich runterstürzen, ich hab versucht, ihm klarzumachen, dass es total bescheuert war, abzuhauen, dass die ihm wegen einem bisschen Gras überhaupt nix anhaben können, dass die Galli nicht gleich tot ist, nur weil sie hinfällt, aber er war völlig neben der Kappe. Ich hatte ihn fast überzeugt, da ist der da«, er zeigte auf Mandelli, »auf dem Dach aufgetaucht, und Franci hat sich aus lauter Angst ein Stück Ziegelstein gegriffen, es nach ihm geworfen, ist auf die Brüstung gesprungen, und der ... hat auf ihn geschossen! Er hat auf ihn geschossen, verstehst du? Die haben Franci umgebracht, ermordet, Franci, der keiner Fliege was zuleide tat, Franci ...«
    Jetzt gingen Maus Nerven restlos mit ihm durch, und er brach in verzweifeltes Schluchzen aus. Von oben konnte Nelly sehen, dass der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung eingetroffen waren. Sie rief nach Doktor Parodi. Der rundliche, glatzköpfige Mann mittleren Alters blickte zu ihr empor. Nachdem er festgestellt hatte, dass man für Francesco Bagnasco nichts mehr tun konnte, kam er eilends zu ihr nach oben, begriff sofort, was los war, und gab Maurizio eine Beruhigungsspritze, die das stärkste Pferd umgehauen hätte. Doch Mau war nicht der Einzige, der ein Beruhigungsmittel nötig hatte. Mandelli war kreidebleich und zitterte. Sassu stand neben ihm und musste ihn stützen.
    »Das wollte ich nicht, das wollte ich nicht, ich glaub’s einfach nicht, ich bin gestolpert, und da hat sich der Schuss gelöst, ich hatte im Traum nicht vor, zu schießen, nur einschüchtern wollte ich sie, ich glaub’s einfach nicht, dass mir das passiert ist. Nach dreißig Jahren Dienst bringe ich einen Jungen um, der nicht älter ist als mein Jüngster, o Gott, o Gott ...«
    Nelly tauschte sich kurz mit Doktor Parodi aus.
    »Kann man schon etwas Genaueres über die Todesursache sagen, Dottore?«
    Parodi warf ihr einen spöttischen Blick zu: »Ein Sturz aus dreißig Meter Höhe gehört nicht gerade zu den gesündesten Sportarten.«
    »Sie wissen genau, was ich meine.«
    »Klar weiß ich, was Sie meinen. Sein Schädel ist übel zugerichtet, der Rest ebenfalls. Wir werden sehen, ich möchte dazu noch nichts sagen. Das letzte Wort hat sowieso der unfehlbare Nardini.«
    Nardini war Pathologe. Abgesehen davon verstanden Parodi und er sich nicht sonderlich gut. Es hieß also abwarten, bis man etwas Verbindliches wusste. Zwecklos, weiterzubohren.
    Eine halbe Stunde später lag Mau im Krankenhaus und schlief tief und fest. Nelly hatte Mandelli in Sassus Obhut gelassen, der ihn vergeblich zu beruhigen versuchte, und tat automatisch genau das, was in solchen Fällen zu tun ist: auf den Staatsanwalt warten und versuchen, sich dem in der Schule und in ihrem Inneren herrschenden Chaos möglichst zu entziehen. Rund drei Stunden später, während die Spurensicherung noch auf der Dachterrasse und im Schulgebäude zugange war, brachte sie dem stellvertretenden Polizeichef Esposito den ersten Bericht.
    Esposito war ziemlich jung und nicht minder attraktiv. Er sah nicht im Entferntesten wie ein Polizist, geschweige denn wie ein Süditaliener aus, doch genau wie Lojacono war auch er waschechter Neapolitaner. Obwohl er erst vor wenigen Monaten zur Genueser Kripo versetzt worden war und sie sich noch nicht besonders gut kannten, war er Nelly sympathisch und sie ihm ebenfalls. Das spielte jetzt allerdings keine Rolle.
    »Dottoressa Rosso, was können Sie mir erzählen?«
    Er hatte den Bericht gelesen und versuchte, seine Betroffenheit zu überspielen.
    »Es gibt noch viele Ungereimtheiten, die geklärt werden müssen.«
    Nelly wunderte sich über ihre feste, sichere Stimme.
    »Verstehe ...« Nachdenklich blätterte er durch die soeben überflogenen Seiten. Dann gab er sich einen Ruck: »So wie es aussieht, ist Ihr Sohn nur aus Freundschaft zu diesem Francesco Bagnasco in die Sache hineingerutscht, er befand sich sozusagen als ... Vermittler auf
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