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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera
Autoren: Rosa Cerrato
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störte sie nicht: Sie hatte Mau, die Katzen, ihre Arbeit, einige wenige, gute und dauerhafte Freundschaften und hin und wieder ... Der höfliche Gruß des Wachbeamten riss sie aus ihren Gedanken: »Guten Tag, Dotto’.«
    Das konnte Dottore oder Dottoressa heißen, in ihrem Job spielte das keine Rolle. Der Mann war blutjung und neu in Genua. Er hieß Nicola und kam aus Kalabrien. Nelly lächelte ihm zu.
    »Ciao, Nicola. Ist Dottor Auteri schon da?«
    »Nein, Dottoressa Rosso. Ich hab ihn noch nicht gesehen.«
    Vizekommissar Marco Auteri war mit Nelly in einer Einheit. Normalerweise war er vor ihr da. Auch Nicola wusste das und schien erstaunt.
    »Na gut, sag mir Bescheid, sobald er kommt.«
    »Wird gemacht, Dotto’.«
    Der junge Mann sah der Kommissarin nach. Sie war nett, freundlich und tat sich nicht wichtig wie viele ihrer männlichen Kollegen. Zwar war sie nicht sein Typ, zu groß und kräftig und dazu noch rothaarig, mit Locken und leicht sommersprossigem Teint, außerdem zu alt (für Nicola waren alle Frauen jenseits der dreißig alt), doch sie hatte schöne braune, leicht mandelförmige Augen, wach und »durchdringend«, das war das Adjektiv, das ihm in den Sinn kam. Und ihre Lippen waren voll und sexy. Wer weiß, ob sie einen Freund hatte, verheiratet war sie jedenfalls nicht, doch angeblich hatte sie einen Sohn. Plötzlich wurde es in der Warteschlange der Immigranten, die um ihre Aufenthaltsgenehmigung anstanden, unruhig, und Nicola rief einen Kollegen zur Verstärkung herbei. An die Dottoressa Rosso dachte er nicht mehr.
     
    »Wieso muss dieser ganze beschissene Papierkram eigentlich immer bei mir landen?«, stöhnte Nelly.
    Sie saß an ihrem Schreibtisch und starrte frustriert auf den Stapel Post und Akten, den ihr Valeria, die mit der Sekretariatsarbeit betraute Polizistin, hingelegt hatte. Valeria tauchte in der Tür zum Vorzimmer auf, lächelte entschuldigend und breitete wortlos die Arme aus. Wenn es um die Durchsicht von Unterlagen ging, war mit Kommissarin Rosso nicht zu spaßen. Sie hatte sich kaum wieder an ihren Platz gesetzt, da rauschte Lojacono herein, Nellys neapolitanischer Kollege im Morddezernat. Sie sah von den Papieren auf, die sie sich resigniert vorgenommen hatte, und blickte ihn argwöhnisch an. Der Kerl hatte die teuflische Gabe, ihr sämtliche kniffligen, nervigen Fälle mit verschwindend geringen Aussichten auf eine rasche Aufklärung, geschweige denn einen Hauch von Anerkennung überzuhelfen. Darüber hinaus neigte er zu verdächtig effektiven Methoden, um an Geständnisse zu kommen, die Nelly ganz und gar nicht gefielen. Er sah kein bisschen grob oder brutal aus, sondern wirkte eher schmächtig und umgänglich, doch etwas in seinem Blick verriet, dass man sich vor Commissario Carmine Lojacono besser in Acht nahm.
    »Und, Nelly, was gibt’s Neues? Hast du schon gehört, was an der Schule deines Sohnes passiert ist?«
    Nelly, die noch nicht einmal Gelegenheit gehabt hatte, einen Blick in die Zeitung zu werfen, sah ihn fragend an und spürte, wie sich ihr die Nackenhaare hochstellten. Alles, was direkt oder indirekt mit Maurizio zu tun hatte, versetzte sie in Alarmbereitschaft.
    »Nein, was ist denn passiert?«
    »Die Meldungen gehen auseinander. Angeblich sind zwei oder drei Schüler plötzlich durchgedreht, haben eine Lehrerin niedergeschlagen und sind aufs Schuldach geflohen. Vor Ort sind Nucci mit Mandelli und Sassu, aber es wurde Verstärkung angefordert ...«
    Noch ehe der Kollege seinen Satz beenden konnte, war Nelly aufgesprungen.
    »Weiß man, wie die Schüler heißen?«
    »Nein, aber das wird wieder mal einer dieser typischen Jungenstreiche sein, heutzutage ticken die doch alle nicht mehr sauber, genau wie die Eltern.«
    »Ich fahre hin. Ist Auteri inzwischen gekommen?«
    Ein zufriedenes Grinsen darüber, ihr noch eine schlechte Nachricht überbringen zu können, huschte über Lojaconos Gesicht.
    »Wir werden wohl ein paar Wochen ohne den lieben Marco auskommen müssen. Gerade hat mich seine Freundin angerufen. Heute früh hatte er auf dem Weg hierher einen Autounfall, zum Glück nichts Ernstes, sie haben ihn ins Galliera-Krankenhaus gebracht; wenn du willst, kann ich dir ...«
    Noch ehe Lojacono ausreden und den Mund wieder zuklappen konnte, war Nelly bereits die Treppe hinuntergestürzt, hatte sich erkundigt, welcher Fahrer und welcher Wagen frei waren, sich ins Auto geschwungen und war mit heulenden Sirenen zur Schule ihres Sohnes aufgebrochen. Der verdatterte
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