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Schmerzverliebt

Schmerzverliebt

Titel: Schmerzverliebt
Autoren: Kristina Dunker
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ihn noch niemand gefragt. »Wir beide?«
    »Warum nicht? Du kannst mir ruhig auf die Füße treten. Die halten das aus.« Sie grinst, und das schwankende Boot, auf dem er zu stehen glaubt, sinkt über Bug.

3 Pia
    In diesem Moment wird die Musik abgedreht. Gleichzeitig schaltet jemand das Neonlicht ein, und der Raum, der eben noch ein romantisches Hafencafé an einem fernen Meer hätte sein können, verwandelt sich zurück in den Partykeller von Connys Eltern mit seiner Zapfanlage, dem Eichenholztresen und den Fußballwimpeln an den Wänden.
    »Leute, alle mal herhören!«, ruft mein großer Bruder Benedikt. Er spielt den Discjockey und holt gerade die CD, die ich Conny geschenkt habe, aus der Stereoanlage. »Jetzt kommt Stimmung in die Bude«, ruft er. »Conny hat sich eine Überraschung gewünscht!«
    Er klopft meiner Freundin aufmunternd auf die Schulter. Conny lächelt unsicher und piepst: »Sie haben eine Modenschau für mich vorbereitet!«
    »Einen Schönheitswettbewerb!«, ergänzt Benedikt.
    »Ja«, ruft Conny, und es ist nicht zu übersehen, wie sehr sie meinen Bruder anhimmelt, »ja, genau! Einen Mode-und Schönheitswettbewerb! Das ist doch wohl supertoll!«
    Sebastian verzieht das Gesicht. »Supertoll«, wiederholt er ironisch. Doch er sagt es so leise, dass Conny es nicht hört.
    Auch die anderen Gäste behalten ihre Kritik eher für sich, die meisten finden den Vorschlag wahrscheinlich sowieso gut, fast alle von Connys Freundinnen träumen von einer Karriere als Model oder zumindest von einem Auftritt in einer Talk-Show.
    »Ich hätte nicht herkommen sollen«, meint Sebastian.
    »Du musst ja nicht mitmachen«, tröste ich ihn. »Mir ist heute auch nicht danach. Obwohl ich so was normalerweise schon mag. Ich bereite mich nämlich auch auf ein Casting vor.«
    Sebastian schnaubt verächtlich. »Dann passt der Name Püppi ja doch zu dir.«
    »Bitte?«
    »Ach, vergiss es! Ich hau ab.«
    »Hey!«, rufe ich.
    Er dreht sich nicht um, verabschiedet sich nur rasch von Conny, die allerdings versucht, ihn aufzuhalten. Ich sehe, wie die beiden an der Kellertür miteinander diskutieren, während Connys Schwester sich gleichzeitig mit einer Kiste voller witziger Accessoires – Perlenketten, Ohrclipsen, Federboas, Sonnenbrillen, Handtäschchen und Hüten – an ihnen vorbei in den Partyraum drängt. Sebastian greift nach einer Baseballkappe mit einem aufgenähten Plüschelch und pappt sie sich auf den Kopf.
    »Krieg ich damit die Goldene Zitrone?«, höre ich ihn Conny fragen.
    »Du kannst Moderator sein«, sagt sie sanft, »du musst nicht mitmachen.«
    »Alle müssen mitmachen«, mischt sich Benedikt ein. »Conny hat sich das zum Geburtstag gewünscht! Was meinst du, was das für ein Aufwand war, das ganze Zeug zu besorgen!« Er zieht Sebastian die Mütze vom Kopf. »Spielverderben gilt nicht. Komm, stell dich nicht an, Kramer …«
    Sebastian wird sich schon zu helfen wissen. Ich wende mich ab, sehe an mir herunter und checke meine Lage. Der Pullover, den ich anhabe, ist ein verwaschenes, weißes Sweat-Shirt meines Vaters. Es ist mir mindestens drei Nummern zu groß und seit 1995 nicht mehr modern. Davon lenkt auch die Muschelkette nicht ab. Darunter trage ich zwar ein ganz passables Top, das meine schlanke Figur gut zur Geltung bringt, aber wenn ich heute Abend den Pulli ausziehe, wird ausnahmsweise keiner auf meinen Busen gucken.
    Was soll ich machen? Mit diesem Aufzug bin ich doch reif für den Negativ-Oscar. Ich fühle, wie ich nervös werde. Schon ist Alina dabei, Stimmzettel zu verteilen, und Sandra dreht sich elegant auf ihrem imaginären Laufsteg. Sandra ist eine Schönheit mit glänzenden, schwarzen Haaren, perfektem Make-up und Körpermaßen wie ein Model. Sie wird nicht nur diese Modenschau gewinnen, sondern auch beim Casting nächste Woche. Sie wird als Sängerin und Tänzerin für die Pop-Band ausgewählt werden, für die unser Lokalsender Radio Werbewelle Nachwuchstalente sucht. Seit sie sich vor ein paar Tagen entschieden hat, ebenfalls an der Ausscheidung teilzunehmen, mache ich mir keine Hoffnungen mehr. Sandra ist das personifizierte Selbstbewusstsein mit großer Schnauze. Ich dagegen bin ein Sensibelchen, das ständig eine Rasierklinge in seinem Portemonnaie mit sich trägt, um sich jederzeit ein paar blutige Kerben in die Haut ritzen zu können. Ein echter Problemfall.
    Trotzdem will ich jetzt Spaß haben und mich noch ein bisschen mit Sebastian unterhalten, und damit ich das kann, muss ich mich
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