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Schmeckt's noch?

Schmeckt's noch?

Titel: Schmeckt's noch?
Autoren: Werner Lampert
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    Mein Freund, Mag. Alfons Piatti , zu dem ich in aller Früh unterwegs bin, ist ein Bauer mit Haut und Haaren, mit Stolz und Würde und vor allem mit der nötigen Leidenschaft. Wenn in unseren Gesprächen die Wut und die Verzweiflung über das, was um ihn in der Landwirtschaft geschieht, überhand nehmen, sagt er: „Komm, lass uns gehen“, und wir sehen uns seine Landwirtschaft und seine Art des Bauer-Seins an. Für ihn ist Bauer-Sein sich mit seinem Boden, seinen Pflanzen und seinen Tieren zu verbinden. Mit jeder Faser seines Seins lebt er in einem sinnlichen Bezug zur Natur. Er lebt in bewusster Verbundenheit mit der Natur und den Naturabläufen. So gibt er der organischen Welt etwas von der Würde zurück, die wir ihr durch Störung und Verhinderung ihrer Abläufe nahmen.

    „Gib der Natur nur das, was nötig ist,
    So gilt des Menschen Leben wie des Tiers.“
    W. Shakespeare, König Lear

    Bauer zu sein, meint er, heißt Sorge zu tragen für die Natur. Bauer sein ist für ihn das Wissen, dass die Natur ein einziger Strom des Lebens ist, der uns Menschen erst ermöglicht und weiterträgt.
    Vor allem ist er ein Bauer der Sinnlichkeit. Mitten in seinen Getreidefeldern und vis-à-vis von den Kürbisfeldern leuchten ein paar Hektar Phazelien, blau und strahlend, sein Beitrag zur Wiederverzauberung der Natur. Oben am Hügel, leicht abfallend, hat er Apfel- und Birnen-Kulturen gepflanzt, bei denen sich die Fruchtansätze gerade ausbilden.

    „Weißt Du, alles was lebensfeindlich ist, hat in der Landwirtschaft nichts verloren. Wir stellen Lebensmittel her für den Körper, den Geist und die Seele.“ Das kann jeder, der mit ihm auf seinem Hof unterwegs ist, nachempfinden, spüren.

    „Die Bauern haben das Vertrauen zu sich und ihrer Arbeit verloren. Durch die vielen Ausnahmeregelungen und Hintertüren. Es werden unentwegt Richtlinien und Verordnungen unterlaufen.“

    „Die Konsumenten vertrauen den Lebensmitteln nicht mehr, der Entzug des Vertrauens hat verheerende Auswirkungen auf die Arbeit des Bauern.“

    „Die auf die Region und das Klima bezogene Fruchtfolge ist die Voraussetzung für eine gedeihliche Arbeit und ist eine Voraussetzung für die Lebendigkeit des Bodens.“

    „Der Bauer muss wieder Verantwortung übernehmen durch eine konsequente ernste Arbeitsweise.“

    Im Hinuntergehen durch seine Felder meint er: „Dieses Schindluder-Treiben zerreißt die Menschen.“ Vorbei an Eschen und Robinien und der Scheune kommen wir zum Stall, in dem zirka 100 Rinder stehen, Jungvieh und Kühe — und mitten drin ein prächtiger Stier. Alle Rinder mit ihren Hörnern, stolz und zufrieden wiederkäuend. Eine große Ruhe geht von diesem Stall aus, und er ist unwillkürlich das Zentrum des Hofes. Wenn mein Freund von der Unruhe heimgesucht wird, geht er in den Stall, setzt sich unter die Kühe und holt sich seine Mitte wieder. Hier ist so deutlich sicht- und nachfühlbar, dass durch die Beseitigung der Tiere bei den Ackerlandbauern die Höfe ihre Seele und die Bauern ihr Zentrum verloren haben.

    Wie gesagt, mein Freund Alfons ist ein Bauer mit all seinen Sinnen, der stolz für die Zukunft der Landwirtschaft einsteht und auch immer wieder dafür kämpft. Er betreibt eine Landwirtschaft, für die die Fachleute längst die Totenglocken geläutet haben und die es eigentlich nicht mehr geben dürfte. Nur: Die Zyniker, die „Agrarexperten“, wo auch immer sie sich breit machen, begreifen nicht, dass sie sich durch ihre Arbeit langsam, aber sicher den Ast abschneiden, auf dem sie sitzen. Die Landwirtschaft, die sie propagieren, führte und führt zum Auslöschen des Bauernstandes.

    Mein Freund lebt in der Gewissheit, dass die Art der Landwirtschaft, wie er sie betreibt, eine Landwirtschaft, in der der ganze Mensch angesprochen und gefordert ist und nicht nur die Arbeitskraft, Zukunft haben wird. Auch weil sie den Menschen die Lebensmittel gibt, die sie für ihre Gesundheit und ihre Sinne dringend benötigen.

    Je mehr ich mich mit der Landwirtschaftspolitik auseinander setze — mit der Politik der Urproduzenten von Lebensmitteln — , umso mehr wird mir klar, dass diese Politik der letzten Jahrzehnte eine im Grunde verfehlte ist. Man hat versucht, den Landwirten alles verharmlost darzustellen, man hat nur so viel gesagt, von dem man glaubte, es sei ihnen zumutbar, ohne dass sie die politische Gefolgschaft aufkündigen. Man hat Geld in ihre Taschen gestopft und ihnen zu verstehen gegeben: „Wir werden es schon
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