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Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Titel: Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Autoren: Liz Mohn
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gemeinsam mit den Ärzten um ihr Leben gekämpft und unzählige bange Stunden, schlaflose Nächte und verzweifelte Augenblicke mit meinem kleinen Mädchen durchgestanden. Das Leiden des Kindes ließ mich meinen katholischen Kinderglauben kritischer sehen und steigerte das Vertrauen in meine eigene Entschlusskraft. Eine Mutter, die so viele Jahre in großer Sorge um ein krankes Kind leben muss, zerbricht, oder sie entwickelt ein Bewusstsein dafür, dass ihr in den schlimmsten Stunden völliger Not und Hoffnungslosigkeit ungeahnte Kräfte zuwachsen können, die es ihr erlauben, den einmal eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
    Im Lauf dieser Jahre hatten meine Kinder und ich eine ganze Reihe von mitunter schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen zu bewältigen. Wie oft zerbrechen Partnerschaften unter so einer Belastung. Meinen Mann und mich haben diese Herausforderungen nur noch enger zusammengeschweißt. Wir haben in diesen Jahren gelernt, auch das Schwierigste und Schmerzlichste zu besprechen. Offen miteinander reden zu können, gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen einer gelungenen Partnerschaft. Noch heute betrachte ich es als ein großes Geschenk, dass wir unsere Gedanken immer austauschen konnten. Ich habe unendlich viel von meinem Mann gelernt, aber auch er hat meine intuitive Einschätzung, meine Offenheit und Spontaneität im Umgang mit Menschen sehr geschätzt.
    Im Umgang mit unseren Kindern konnte mein Mann selbst wieder zum Kind werden. Mit Humor und Fantasie hat er Gitte, Chris und Andreas oft verzaubert. Für die Kinder war er der geliebte »Tata«, der gemeinsam mit ihnen kleine Streiche ausheckte oder ihnen selbst ausgedachte
Geschichten erzählte. In den wichtigen Grundsätzen der Erziehung waren wir uns einig. Unsere Kinder sollten bodenständig bleiben und jedem Menschen mit Respekt und Höflichkeit begegnen. Von früh an haben wir uns bemüht, ihnen ein Gefühl von Verantwortung und Fairness im Umgang mit anderen zu vermitteln. Dazu gehörte die Bereitschaft zur Diskussion, aber auch das Aufzeigen von Grenzen, wenn die Debatten kein Ende nehmen wollten.
    Als die Kinder älter wurden, sprach mein Mann auch mit zunehmender Offenheit über seine tägliche Arbeit und gewährte ihnen Einblick in die Belange des Unternehmens. Für einen leidenschaftlichen Unternehmer wie Reinhard Mohn hatte die übliche Trennung von Beruf und Freizeit keinen Bestand. In seiner freien Zeit dachte er über das Wachstum des Unternehmens nach und stellte zahlreiche Überlegungen zur Unternehmenskultur an, die er mit seinen Mitarbeitern umsetzen wollte. Er war erfüllt von seiner Aufgabe.
    In den sechziger und siebziger Jahren war es vielfach noch üblich, dass Frauen sich uneingeschränkt der Organisation des Haushalts und der Kindererziehung widmeten, wenn es die materielle Situation erlaubte. Doch ich ertappte mich immer häufiger dabei, dass ich eine innere Leere spürte, wenn mein Mann so begeistert von seiner Arbeit sprach. Auch ich sehnte mich nach Aufgaben, in denen ich etwas gestalten, und nach einer Gemeinschaft, in der ich Verantwortung übernehmen konnte. Unsere Kinder wurden größer, es war offensichtlich, dass sie die Anwesenheit der Mutter immer weniger benötigen würden.
    Meine ersten beruflichen Aufgaben entwickelte ich aus meiner damaligen Lebenserfahrung heraus. Reinhard Mohn war nicht nur zwanzig Jahre älter als ich und ein viel
beschäftigter Unternehmer. Er war auch ein zutiefst philosophischer Mensch, der sein Tun ständig hinterfragte und mich an seinen Überlegungen teilhaben ließ. Kein Zweifel: Er war mein Lehrmeister, der mir als junger Frau Einblick gewährte in Grundfragen zu Politik und Gesellschaft, Moral und Ethik, Management- und Führungstechniken. Seine analytischen Fähigkeiten waren beeindruckend, und ich war seine gelehrige Schülerin. Doch mit der Zeit lernte ich, meinerseits Fragen zu stellen oder ihn auf Dinge hinzuweisen, bei denen ich ein Ungenügen oder einen offenkundigen Mangel empfand. Aus dem Monolog wurde ein Dialog, ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Manchmal empfand ich in bestehenden Strukturen eine Lücke, erkannte ein Problem oder empfand die Notwendigkeit zu einer spontanen Hilfsaktion. »Probier’s mal«, sagte mein Mann dann. Und das tat ich.
    Zu meinen ersten eigenen Schritten gehörte aus dem damaligen Zeitgeist heraus die
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