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Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Titel: Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Autoren: Liz Mohn
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dürfen.

ICH WOLLTE MEHR AUS MEINEM LEBEN MACHEN
    Noch wusste ich nach dem Ende der Schule nicht, wie es mit mir weitergehen sollte. So plante ich für die großen Ferien erst einmal eine gemeinsame Radtour mit meiner Cousine. Ein Spediteur nahm uns auf Wunsch meines Vaters mit nach Würzburg, von dort wollten wir nach Wiedenbrück zurückradeln. Doch dann fand sich ein Hinweis auf das schöne Städtchen Rothenburg ob der Tauber, dort gab es ein Schild Richtung München. Ständig entdeckten wir neue Ziele. Es waren herrliche Sommertage, und wir hatten bis dahin so wenig von der Welt gesehen. Wir ließen uns treiben, fuhren bald hierhin, bald dorthin, ließen uns mitunter von Lastwagen mitnehmen und kamen schließlich von den oberbayerischen Seen bis hoch in den Norden nach Helgoland. Bis heute fühle ich den schmerzlichen Moment, als wir bei dieser Unternehmung auf eine Gruppe junger Studenten trafen. Ich spürte sofort ihre Unbeschwertheit, ihre weitfliegenden Pläne. Die Zukunft lag ihnen zu Füßen. Diese Freiheit hatte ich nicht.
    Inzwischen hatte meine Mutter für mich eine Lehrstelle als Zahnarzthelferin ausfindig gemacht – das galt damals schon als großes Glück. Doch ich wollte mehr aus meinem Leben machen. Und so hielt ich beständig nach Menschen Ausschau, die mir dabei helfen konnten. Eine Bekannte arbeitete bei Bertelsmann und berichtete immer wieder begeistert von den dortigen Chancen. Ob ich das nicht
auch mal versuchen wolle? Ohne mit meiner Mutter zu sprechen, bewarb ich mich heimlich bei der Vertriebsstelle des Buchclubs und wurde eingeladen. Noch konnte ich nicht ahnen, wie sehr dieser Schritt mein ganzes Leben verändern würde.
    In meiner katholischen Erziehung gab es klare Regeln, die ich als junges Mädchen einzuhalten hatte. Dazu gehörte auch, dass man abends nicht einfach allein ausgehen konnte. Als sechs Wochen nach meinem Arbeitsbeginn bei Bertelsmann das alljährliche Betriebsfest stattfand, musste ich meine Eltern lange bitten, damit sie mir erlaubten, daran teilzunehmen. Beide waren überhaupt nicht begeistert, denn volljährig wurde man damals ja erst mit einundzwanzig Jahren. Nach langem Hin und Her erhielt ich schließlich die Erlaubnis, bis zehn Uhr abends zu bleiben. Dieser Abend wurde mir zum Schicksal!
    Gemeinsam mit vielen anderen jungen Auszubildenden sah ich, wie der Chef des Unternehmens, Reinhard Mohn, in Begleitung mehrerer Mitarbeiter den Raum betrat. Wir waren alle neugierig auf ihn, er war ein gut aussehender junger Mann, über dessen Ideen viel gesprochen wurde. Sein sehr geradliniges, entschlossenes Auftreten beeindruckte mich, und offensichtlich muss auch ich ihm aufgefallen sein. Denn er forderte mich und keine andere aus der Mädchenschar zum Tanzen auf. Seine Offenheit und sein Charme berührten mich. Damals ist ein Foto entstanden, wie wir beide bei der »Reise nach Jerusalem« um den letzten Stuhl kämpften. Er war schneller.

KEIN EINFACHER WEG
    Die nun folgenden Jahre waren nicht leicht. Meine Arbeit bei Bertelsmann brachte mich mit vielen Menschen zusammen, das bereitete mir Freude. Doch der Mann, den ich liebte, war gebunden. Reinhard Mohn hatte sehr rasch nach dem Krieg geheiratet und seine erste Familie gegründet. Er gehörte zu den Männern, denen der Krieg ihre Jugend geraubt hatte und die das Leben erst danach für sich entdecken und genießen konnten.
    Das Leben hatte uns zusammengeführt, doch an eine Scheidung war in den späten fünfziger Jahren nicht zu denken. In den sechziger Jahren wurden unsere drei Kinder geboren, Brigitte 1964, Christoph 1965 und Andreas 1968. Reinhard Mohn versuchte, so oft wie möglich mit uns zusammen zu sein, doch die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben war gering. In jenen Jahren hat mir mein späterer Mann jeden Tag einen Brief geschrieben, die er alle, nachdem wir schon längst verheiratet waren, in Ordnern gesammelt hat. Es sind viele Ordner geworden, in denen er unsere Sorgen, aber auch unsere Hoffnungen und Träume jener Jahre bewahrt hat. Noch heute fällt es mir schwer, darin zu blättern. Es ist kein einfacher Lebensabschnitt gewesen. Ich bin froh und dankbar, dass wir ihn gemeinsam bewältigen konnten.
    Das Leben als junge Mutter erfüllte mich sehr, doch es bescherte mir auch neue Sorgen und Ängste. Unsere
Tochter Brigitte erkrankte im Alter von nur vier Monaten an schwerem Asthma. Jahrelang habe ich
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