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Schloß der verlorenen Seelen

Schloß der verlorenen Seelen

Titel: Schloß der verlorenen Seelen
Autoren: Anne Alexander
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dessen Telefonnummer.
    “Danke, Mister Adams.” Die junge Frau stand auf. “Würden Sie mir jetzt bitte meine Rechnung geben. Ich möchte gleich nach Hause fahren.”
    “Die Rechnung hat Zeit”, meinte der Werkstattbesitzer. “Außerdem wäre es mir lieber, wenn ich Sie nach Hause fahren könnte.”
    Camilla schüttelte den Kopf. “Nein, lassen Sie nur. Ich kann schon fahren.”
    Ein letztes Mal bedankte sie sich bei ihm, dann verließ sie das Büro und ging zu ihrem Wagen. Fast blind vor Tränen setzte sich die Lehrerin hinter das Steuer. Sie konnte nicht fassen, daß ihre Mutter nicht mehr lebte, und zu ihrer eigenen Überraschung empfand sie auch Trauer um ihren Stiefvater. Steven Randall war kein schlechter Mensch gewesen; sie hatten einander nur nicht verstanden. - Vielleicht war das alles nur ein Traum, ein furchtbarer Traum, aus dem sie jeden Moment erwachen mußte. Doch tief in sich drinnen fühlte Camilla, daß es keineswegs ein Traum war sondern bittere Wirklichkeit.
    3. Kapitel
    Noch am Nachmittag desselben Tages flog Camilla nach Cherbourg, um ihre Mutter und ihren Stiefvater zu identifizieren. Es war noch nicht möglich gewesen, alle Toten zu bergen, doch in der langgestreckten Turnhalle, in die man die Opfer des Fährunglücks gebracht hatte, entdeckte die junge Frau ihre Ahn-gehörigen. Wie versteinert machte sie alle nötigen Angaben, damit die Toten nach Cambridge überführt werden konnten. Dann stieg sie in ein Taxi und fuhr ins Krankenhaus zu ihrer kleinen Schwester.
    Laura lag auf der Intensivstation. Dr. Durand, der die junge Frau empfing, sagte ihr, daß Laura eine Schwimmweste getragen hatte und an Land gespült worden war. “Sie ist stark unterkühlt, aber wir hoffen, eine Lungenentzündung verhindern zu können.”
    “Wie stehen ihre Chancen?” fragte Camilla und wunderte sich, daß sie diese Frage überhaupt stellen konnte. Es kam ihr vor, als hätte man sie mitten durchgeschnitten. Ein Teil von ihr befand sich noch immer in der Turnhalle, ging an den langen Reihen mit den Toten vorbei, der andere sprach mit Dr. Durand.
    “Da kann ich Ihnen im Moment noch nichts Genaues sagen, Miß Corman”, erwiderte der Arzt aufrichtig. “Der Zustand Ihrer kleinen Schwester ist noch immer instabil. Kein Wunder, immerhin ist sie ziemlich lange im Wasser getrieben. Wie es aussieht, wird man keine weiteren Überlebenden finden.”
    “Ich habe gehört, daß manchmal Leute im Koma sprechen. Hat Laura irgend etwas gesagt?”
    “In der Tat.” Der Arzt nickte. “Hin und wieder flüstert sie den Namen Cathy.”
    “Cathy?” Camilla dachte an den Morgen, an dem Laura von Cathy gesprochen hatte. “Ich wollte nicht, daß meine Familie die Fähre benutzt”, sagte sie. “Im Traum hatte das Laura das Unglück vorausgesehen. Aber meine Mutter wollte nichts davon hören. Sie meinte, Träume sind Schäume.”
    “Vorausgesehen?”
    Die Lehrerin nickte. Sie erzählte dem Arzt von Lauras Träumen. “Hin und wieder kommt es vor, daß meine Schwester in ihren Träumen Dinge sieht, von denen sie behauptet, sie würden irgendwann eintreffen. Ein-, zweimal ist es auch schon passiert.”
    “Sieht aus, als hätte die Kleine so etwas, wie das ‘Zweite Gesicht’”, meinte Dr. Durand.
    “Man könnte es meinen.” Camilla fragte, ob es möglich sein würde, Laura nach England zu bringen.
    “Im Moment würde ich von einem Transport noch abraten”, antwortete der Arzt. “Der Zustand Ihrer Schwester ist zu kritisch, als daß wir einen Flug riskieren könnten.” Er berührte ihre Schulter. “Bitte, glauben Sie mir, Miß Corman, Ihre Schwester ist bei uns in den besten Händen.”
    “Daran habe ich nicht gezweifelt, Doktor Durand”, versicherte die Lehrerin. “Ich werde vorläufig in Cherbourg bleiben, um in Lauras Nähe zu sein. Sie werden mir doch bestimmt erlauben, jeden Tag mehrere Stunden an Lauras Bett zu verbringen. Ich habe gehört, daß viele Patienten aus dem Koma erwachen, wenn man mit ihnen spricht, ihnen etwas erzählt, ihnen das Gefühl gibt, nicht allein in einer abgeschlossenen Welt zu leben.”
    “Das ist wahr, Miß Corman, und hier wird niemand etwas dagegen einzuwenden haben, wenn Sie am Bett Ihrer Schwester sitzen. Kommen Sie so oft und so lange Sie wollen.”
    Dr. Durand führte die junge Frau durch einen langen Gang zur Intensivstation. Camilla nahm es kaum wahr, wie er ihr in den grünen Kittel half, ihr zeigte, wo sie ihre Hände desinfizieren konnte. Wie in Trance betrat sie
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