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Schloss der Liebe

Titel: Schloss der Liebe
Autoren: Catherine Coulter
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Vaters, seine Worte belauscht. Doch dieser Stuhl war nun verwaist. Ihr Vater nahm das Abendessen nicht mehr im Großen Saal ein, saß nicht länger in dem mit feinsten Schnitzereien verzierten Armsessel und wurde nicht mehr von seinem Pagen und seinem Schildknappen bedient, die immer darum wetteifert hatten, wer ihm das schmackhafteste Stück Fleisch auf den Teller legen durfte. Jetzt lag er im Bett und nahm mit zaghaften Schlucken Brühe zu sich, in der Hoffnung, sie möge in seinem Magen bleiben.
    Der Umhang des Mannes schien sich erneut zu bewegen, und um ein Haar hätte sie aufgeschrien. Alle Bewohner von Oxborough standen dicht zusammengedrängt im Großen Saal, starrten den Fremden an und fragten sich, was wohl geschehen würde, wenn er ihr Gebieter werden sollte. War er roh und gewalttätig? Würde er seine Hand gegen sie erheben, wann immer es ihm gefiel? Würde er seine Peitsche schwingen, wie Hastings' Vater es getan hatte, als er erfuhr, dass ihre Mutter das Bett mit dem Falkner geteilt hatte? Hastings hasste Peitschen.
    Wieder bauschte sich der Mantel des Mannes. Ein unheimlicher schriller Schrei durchschnitt die Luft. Erschrocken presste sie ihre Faust vor den Mund und wich tiefer in den Schutz der Treppe zurück.
    Der Fremde ließ seine behandschuhte Hand unter den Umhang gleiten und zog ein Tier mit dichtem Fell und buschigem Schwanz hervor. Unter den Leuten von Oxborough erhob sich leises, ängstliches Tuscheln. War es ein Verbündeter des Teufels? Aber nein, es war keine Katze, es war etwas anderes.
    Es war ein Marder. Ein geschmeidiges Tier mit dichtem Fell, das bis auf schneeweiße Hecken am Kinn und auf dem Bauch tief braun schimmerte. Hastings besaß einen wunderschönen Pelzmantel aus Marderfell. Aber dieses Tier musste gewiss nicht befürchten, jemals jemandem auf diese Weise den Rücken zu wärmen, dessen war sie sich gewiss. In diesen Händen war er sicher. Doch was fing ein Krieger mit einem Marder an?
    Der Mann hob den Marder an sein Gesicht, sah ihm in die Augen, nickte und schob ihn ganz sacht wieder unter seinen Umhang in das Innere seiner Tunika.
    Gegen ihren Willen musste sie lächeln. Ein Mann, der einen zahmen Marder an seinem Herzen trug, konnte nicht gar so furchterregend sein.
    Graelam de Moreton trat auf ihn zu und versetzte ihm einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken -als wäre er irgendjemand, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Sterblicher. Der Fremde drehte sich zu ihm um und lächelte. Das Lächeln bewirkte eine wunderbare Wandlung. In dem Moment, in dem er lächelte, wirkte er plötzlich menschlich und ganz und gar von dieser Welt. Im nächsten Augenblick war das Lächeln wieder verschwunden, und er verwandelte sich wieder in den, der er zuvor gewesen war, ein unheimlicher Fremder mit einem Marder unter dem Hemd.
    Die beiden Männer hatten die gleiche stattliche Größe, sie überragten die junge Eiche, die sie im Sommer vor drei Jahren gepflanzt hatte, wahre Hünen, Riesen fast, die viel zu viel Platz einnahmen und alle Menschen um sie herum an die Wand zu drücken schienen. Doch Graelam hatte ihr noch nie Angst gemacht. Aus den Geschichten, die ihr Vater von klein auf erzählt hatte, wusste sie, dass feindliche Soldaten bei seinem Anblick um ihr Leben rannten. Ihr Vater hatte einmal gesehen, wie er einen Mann mit einem einzigen Hieb seines Schwertes in der Mitte entzwei gehauen und mit der gleichen Wucht und Grazie drei weitere Gegner getötet hatte. Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, einen Mann, der einen anderen hinschlachtete, graziös zu nennen.
    »Graelam«, sagte der Fremde mit tiefer, rauer Stimme, die an ein Schiff im Sturm erinnerte, das an der Vertäuung zerrte. »Es ist lange her, dass ich das Vergnügen hatte, meine Faust in Euer missgestaltetes Gesicht zu schlagen und Euch zu Boden gehen zu sehen. Seid Ihr wohlauf?«
    »Mehr als das. Gott beschenkt mich mit mehr Glück, als ich verdiene, und ich danke ihm jeden Tag für mein Leben. Zu Eurem eigenen Wohl muss ich Euch aber warnen, mein Gesicht in Gegenwart meiner Gemahlin hässlich zu nennen. Sie hat es durchaus lieb gewonnen. Sie mag zwar klein von Statur sein, doch wenn es darum geht, mich zu verteidigen, verwandelt sie sich in eine wahre Bestie.«
    Der Mann antwortete: »Eure Gattin ist eine außergewöhnliche Frau, es gibt keine, die ihr gleicht. Ihr wisst, was mich hierher führt.«
    »Natürlich«, sagte Graelam de Moreton. »Bedauerlicherweise ist Fawke von Trent sehr krank und kann Euch
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