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Schlimmer geht immer

Schlimmer geht immer

Titel: Schlimmer geht immer
Autoren: David Lubar
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fragen können, was eine Allegorie ist, aber ich war gar nicht so scharf drauf, das zu erfahren. Ich war mir ziemlich sicher, dass es in unserer nächsten Klassenarbeit nicht vorkommen würde.
    Mrs Otranto wandte sich uns wieder zu und sagte: »Das ist doch eine wunderbare Gelegenheit für uns alle. Mr McGavin und ich haben beschlossen, dass wir den Unterricht so halten werden, dass ihr alle davon profitiert. Wir können so viel voneinander lernen.«
    Mehrere Leute schnaubten in den hinteren Reihen. »Die können von uns lernen, was Schmerzen sind«, murmelte einer.
    Schmerzen?

    Ich sah über die Schulter. Da saß der kräftigste Junge der ganzen Klasse und starrte mich an. Und er kam mir erschreckendbekannt vor, mit seinem stumpfsinnigen Schlägerblick und dem fetten Schädel eines Urwaldaffen.
    »Wer ist das?«, fragte ich Mookie flüsternd. »Der sieht aus wie Rodney.«
    Rodney Mullasco war der Schultyrann. Der Gedanke, dass er mit lauter kleinen Kindern in einen Raum gepfercht war, gefiel mir nicht. Genau in diesem Moment kniff er garantiert irgendwo in der Borloff einem bedauernswerten Erst- oder Zweitklässler ins Ohr.
    »Oh nein«, sagte Mookie. »Das muss Ridley sein.«
    »Ridley?«
    »Rodneys großer Bruder. Ich hab gehört, er ist noch fieser als Rodney.«
    »Na toll.« Ich war mir nicht sicher, ob meine Zombie-Ohren es überleben würden, wenn dieses Monster hineinkniff. Seine Finger waren so riesig wie Jumbo-Hotdogs.
    »Wovor habt ihr Angst?«, fragte Abigail. »Schließlich habt ihr schon fiese feindliche Spione und Schleimmonster besiegt.«
    Ich deutete über meine Schulter. »Die sahen aber alle nicht halb so gefährlich aus wie der da. Wir sind ihm völlig ausgeliefert. Er hat uns den ganzen Tag bequem in Reichweite.«
    Ich drehte mich um und starrte ihn an. Das kann ich nämlich tun, ohne bemerkt zu werden. Da ich ja nicht lebendig bin, spüren die Leute es nicht, wenn ich sie anstarre. Aber das geht natürlich am besten, wenn ich mich hinter den Leuten aufhalte. Wenn ich jemanden anstarre und er zufällig in meine Richtung guckt, funktioniert es irgendwie nicht so gut.
    Ridley fing meinen Blick auf. Ich musste schnell eine Entscheidung treffen. Wenn ich wegguckte, könnte er denken, dass ich Angst vor ihm hatte. Und dann könnte er Lust bekommen,mir noch mehr Angst einzujagen. Nach meiner Erfahrung suchen Tyrannen sich gern eine besondere Zielscheibe aus. Also wäre es vermutlich keine gute Idee, wegzugucken.
    Andererseits – wenn ich ihn weiter anstarrte, könnte er denken, ich wollte ihn provozieren. Das wäre natürlich lächerlich, denn er war ja fast so groß, dass er mich in die Tasche stecken konnte. Aber irgendetwas sagte mir, dass logisches Denken nicht seine Stärke war. Also, weiterstarren oder weggucken?
    Ich musste keins von beidem tun.
    »Eine Biene!«, kreischte Abigail.
    Alle drehten sich zu ihr um, während sie von ihrem Stuhl aufsprang und wild um sich schlug. Die Kids in ihrer Nähe duckten sich. Ich duckte mich auch, obwohl ich mir über Schmerzen echt keine Sorgen mehr machen musste. Aber ich wollte nicht, dass die anderen sich fragten, warum ich keine Angst hatte. Ferdinand stieß einen lauten Schrei aus und versuchte sich unter seinen Tisch zu quetschen. Mir fiel auf, dass sogar Ridley zusammengezuckt war. Ich schätze mal, dass man auch als Achtklässler noch nicht zu groß war, um Angst vor Bienen zu haben.
    »Beruhigt euch, Kinder!«, rief Mrs Otranto. »Die Biene hat mehr Angst vor euch als ihr vor ihr.«
    Ich wette, sie ist noch nie gestochen worden. Ich bin erst zweimal gestochen worden, aber ich kann mich gut daran erinnern, wie sehr es wehgetan hat. Ich drehte mich wieder nach vorn. »Ich wusste gar nicht, dass du Angst vor Insekten hast«, flüsterte ich Abigail zu. Ich hatte mal gesehen, wie sie im Wald ein Stück verfaultes Holz angehoben hat, um neugierig zu betrachten, was darunter herumkrabbelte. Und einmal hatte ich sie neben einem Spinnennetz hocken sehen, um die Spinne beim Fressen zu beobachten.
    »Hab ich auch nicht«, flüsterte sie zurück. »Ich hatte nur Angst davor, dass dieses Monster dich mit seinem Blick zermalmen würde. Also dachte ich mir, eine Ablenkung wäre gut.«
    »Danke. Normalerweise ist Mookie derjenige, der für Ablenkung sorgt.«
    »Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, zu niesen, die Nase hochzuziehen und um Muffins zu betteln. Außerdem glaube ich nicht, dass eine Gaswolke Ridley überhaupt aufgefallen wäre«, meinte Abigail.
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