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Schlimmer geht immer

Schlimmer geht immer

Titel: Schlimmer geht immer
Autoren: David Lubar
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gemacht.«
    Während Mrs Otranto nach vorn zu ihrem Pult ging, das natürlich normalgroß war, betrachtete sie die Zeichnungen von Figuren aus Kinderliedern, die an der Wand über der Tafel hingen.
    Dann seufzte sie und sagte ziemlich genau das, was ich auch gesagt hatte. »Macht euch keine Sorgen, Kinder. Es ist ja nur für eine Woche oder zwei. Wir sollten froh sein, dass sie überhaupt einen eigenen Raum für uns hatten. Alle anderen fünften Klassen müssen zusammenrücken und sich zu zwei Klassen einen Raum teilen.«
    Da waren wir also, gequetscht in ein Klassenzimmer der Borloff-Grundschule, während unsere eigene Schule – die Belgosi – gereinigt und desinfiziert wurde. Offenbar war das Gebäude von gefährlichen Schimmelsporen befallen, dank einer undichten Stelle in der Decke der Kantine. Das hatte übrigens nichts mit dem riesigen Schleimpilz zu tun, mit dem ich neulich Bekanntschaft gemacht hatte – genauer gesagt, in den ich eingetaucht war. Es war etwas, das an ganz vielen Schulen im Land passiert war. Jedenfalls hockten wir jetzt hier, bis das Gesundheitsamt grünes Licht gab, an die Belgosi zurückzukehren.
    Schimmelsporen einzuatmen, kann für Kinder sehr gefährlich sein. Für mich ist das allerdings kein Problem, denn ich muss gar nicht atmen. Ich könnte problemlos einen Monat lang auf dem Meeresgrund hocken. Ich könnte ohne mit der Wimper zu zucken durch eine Giftgaswolke laufen. Mookie könnte jedenTeller Bohnensuppe des ganzen Universums in Giftgasbomben verwandeln, und es wäre mir egal.
    Ich bin nämlich sozusagen halb tot. Das ist so, seit der Onkel meiner Freundin Abigail, ein verrückter Wissenschaftler, mir aus Versehen eine Riesenladung Verschwinde-Schmerz übergekippt hat. Seitdem spüre ich keinen Schmerz mehr. Ich muss auch nicht mehr schlafen, und mein Herz schlägt nicht mehr.
    Mit seinem Riesen-Vergleich hatte Mookie wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Nicht nur die Stühle und so waren klein, sondern auch die Kinder an der Borloff. An der Belgosi waren wir ja schon die Großen, denn die ging von der dritten bis zur fünften Klasse. Also waren wir als Fünftklässler dort die größten Kids weit und breit.
    Hier an der Borloff dagegen bewegten wir uns zwischen Kindergartenkindern, Erstklässlern und Zweitklässlern. Die Kindergartenkinder waren besonders winzig. Ich hatte fast Angst, ich könnte über eins stolpern. Oder dass Mookie im Flur über seine Schnürbänder fallen und in eine Gruppe von ihnen hineinstürzen könnte. Vermutlich würde er sie alle zerquetschen wie Käfer. Mookie stolpert ziemlich oft.
    Tja, wir waren also Riesen – bis die echten Riesen in unser Klassenzimmer schlurften. Zwanzig an der Zahl. Sie waren groß und furchterregend, und sie sahen nicht sehr glücklich aus.

2

VON RIESEN UND ZWERGEN

    Die Riesen trugen kleine Stühlchen, wodurch sie noch riesiger aussahen. Ein Mann in einem zerknitterten grünen Jackett und einer fleckigen roten Krawatte folgte ihnen ins Klassenzimmer. Obwohl er erwachsen war und größer als die meisten der Riesen, wirkte er trotzdem irgendwie geschrumpft. Er nickte Mrs Otranto zu und sagte: »In der Mittelschule wurde jetzt auch Schimmel gefunden. Sieht aus, als müssten wir zusammenrücken.«
    Sie wandte sich zu uns und sagte: »Rückt eure Tische so nah wie möglich aneinander, damit Mr McGavins Klasse Platz hat.«
    Ich rammte meinen Tisch gegen Mookies, und Abigail schob ihren geräuschvoll näher an meinen ran. Wir rutschten alle zusammen und machten uns klein. Die großen Kids – ich schätze, es waren Achtklässler – quetschten sich um uns herum und stellten ihre Stühle hin.
    »Hat irgendjemand von euch bald Geburtstag?«, fragte Mookie. »Das ist wichtig. Für die richtige Antwort gibt es Muffins.«
    Sie ignorierten ihn.
    Als sie saßen, waren sie immer noch viel größer als wir. Ich hatte das Gefühl, in einem Wald voller Mammutbäume gelandet zu sein.
    »Vielleicht sollten wir ihnen Gullivers Reisen vorlesen«, sagte Mrs Otranto zu Mr McGavin.
    Er lachte. »Würde sich anbieten.«
    Die beiden Lehrer steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich weiter. Ich sah zu Abigail rüber.
    »Das ist ein Buch über einen Typen, der Riesen und Zwerge besucht«, erklärte sie. »Es ist eine Allegorie.«
    »Danke.« Wenn Abigail in der Nähe war, brauchte man keinen Internetanschluss. Sie konnte fast jede Frage beantworten. Nur verstand ich die Antworten leider oft nicht. Vermutlich hätte ich sie
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