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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
Autoren: Rudyard Kipling
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ihr, er ging mit ihr spazieren, er plauderte mit ihr, machte Ausflüge mit ihr und frühstückte mit ihr bei Feliti, bis man die Stirne runzelte und »shocking« rief! Mrs. Bremmil blieb zu Hause, kramte unter den Sachen ihres toten Kindes und weinte über der leeren Wiege. Sie wollte von nichts anderem wissen. Aber schließlich machte ihr doch ein halb Dutzend guter Freundinnen ihre Lage klar, damit ihr ja nicht das Beste daran verloren ginge. Mrs. Bremmil nahm es ruhig hin und bedankte sich für den Liebesdienst. So klug wie Mrs. Hauksbee war sie nicht, aber sie war nicht dumm. Sie behielt alles für sich und sprach auch Bremmil nicht von dem, was sie gehört hatte. Das sollte man sich merken. Reden halten, oder über einen Mann weinen, hat noch nie genützt.
    Wenn Bremmil zu Hause war, was selten geschah, war er zärtlicher als gewöhnlich; und dadurch zeigte er seine Karten. Die Zärtlichkeit sollte einerseits sein Gewissen, andererseits Mrs. Bremmil beschwichtigen. Beides mißlang.
    Da wurden »Mr. und Mrs. Cusack-Bremmil zum 26. Juli 9½ Uhr nach Peterhoff gebeten. Im Auftrag Ihrer Exzellenzen Lord und Lady Lytton, der diensttuende Adjutant.« In der linken Ecke unten: »Es wird getanzt.«
    »Ich kann nicht gehn,« sagte Mrs. Bremmil. »Es ist zu kurz – – die arme kleine Florrie – – Aber das braucht ja dich nicht abzuhalten, Tom.«
    Im Augenblick meinte sie, was sie sagte, und Bremmil erwiderte, er wolle schon hingehen, natürlich nur, um die Form zu wahren. Er sagte die Unwahrheit, und Mrs. Bremmil wußte es. Sie ahnte, – – und die Ahnungen einer Frau sind zuverlässiger als eines Mannes Gewißheit, – – daß er von Anfang an hatte gehen wollen, und zwar mit Mrs. Hauksbee. Sie saß und überlegte, und das Ergebnis dieser Überlegung war die Erkenntnis, daß das Andenken eines toten Kindes die Zuneigung eines lebenden Gatten bei weitem nicht aufwiegt, Sie entwarf ihren Plan und setzte ihr Alles darauf. In jener Stunde wurde ihr klar, daß sie Tom Bremmil bis ins Tiefste kannte, und diese Erkenntnis setzte sie in die Tat um.
    »Tom,« sagte sie, »am 26. abends bin ich bei Longmores zu Tisch. Willst du nicht lieber im Klub essen?«
    Damit ersparte sie Bremmil eine Ausrede, mit der er sich zum Essen mit Mrs. Hauksbee hatte frei machen wollen. Er war ihr dankbar dafür, kam sich aber zugleich kleinlich und schlecht vor. Und das schadete ihm nichts. Bremmil verließ das Haus um fünf Uhr, um auszureiten. Gegen halb sechs kam ein großer lederüberzogener Korb von Phelps für Mrs. Bremmil. Sie war eine Frau, die sich zu kleiden verstand; und sie hatte nicht umsonst eine Woche damit zugebracht, dies Kleid zu entwerfen, es zu schneiden, säumen, versteifen, es bauschen und rauschen machen zu lassen, oder wie die Ausdrücke alle heißen mögen. Es war ein pompöses Kleid, – Halbtrauer natürlich. Ich kann's nicht beschreiben, aber die »Queen« hätte es eine »Creation« genannt. Es war ein niederschmetterndes, atemberaubendes Kleid. Sie ging nicht gerade mit Mut an die Ausführung ihres Planes. Aber als sie vor dem großen Spiegel stand, mußte sie sich mit Genugtuung gestehen, daß sie nie in ihrem Leben so gut ausgesehen hatte. Sie war eine große Blondine und hatte, wenn sie wollte, eine prachtvolle Haltung.
    Nach dem Essen bei Longmores ging sie auf den Ball nicht allzufrüh – und traf in der Tür Bremmil, Mrs. Hauksbee am Arm. Ihr Blut wallte auf, und sie sah einfach herrlich aus, als sich die Herren um ihre Tanzkarte rissen. Sie vergab alle Tänze, bis auf drei, und die ließ sie frei. Mrs. Hauksbee fing von ihr einen Blick auf und wußte, daß er Krieg zwischen ihnen bedeutete, Krieg bis aufs Messer. Sie ging schon etwas benachteiligt in den Kampf, denn sie hatte Bremmil ein ganz klein wenig zu viel herumkommandiert, und er fing gerade an, es lästig zu finden. Überdies war ihm seine Frau nie so reizvoll erschienen. Er staunte sie von der Saalecke aus an, er starrte ihr von den Gängen aus nach, wenn sie mit ihren Tänzern vorbeiging, und je mehr er starrte, um so mehr nahm sie ihn gefangen. Er konnte kaum glauben, daß das dieselbe Frau war, die mit roten Augen und im wollenen Trauerkleide morgens über dem Frühstückstisch weinte.
    Mrs. Hauksbee tat ihr Bestes, ihn auf ihrer Seite zu behalten, aber schon nach den nächsten zwei Tänzen ging er zu seiner Frau über und bat sie um einen Tanz.
    »Ich fürchte, Sie kommen zu spät, Mister Bremmil,« sagte sie mit schelmisch blitzenden
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