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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift
Autoren: Val McDermid
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war sein Befinden nach dem Training am Freitag einwandfrei gewesen. Am Samstag hatte er nicht mitgespielt, weil der gleiche Arzt nach einer Untersuchung zuerst eine Art Grippevirus vermutete. Jetzt, achtzehn Stunden später, lag er hier, und sein Zustand verschlechterte sich zusehends. Und Thomas Denby hatte weder eine Ahnung, warum, noch, wie er dies aufhalten könnte.
    An eine solche Situation war er nicht gewöhnt. Er wusste, dass er ein verdammt guter Arzt war. Als geschickter Diagnostiker sowie kluger und oft einfallsreicher Kliniker hatte er auch genug diplomatisches Talent, um dafür sorgen zu können, dass die Bürokraten die Bedürfnisse seiner Station nicht oft übergingen. So segelte er erfolgreich durch sein Berufsleben, und es geschah nur selten, dass die Gebrechen seiner Patienten ihm zu denken gaben. Robbie Bishop kam ihm angesichts seiner Fähigkeiten wie ein Affront vor.
    Als die Assistenzärztin mit dem Intubationsbesteck und zwei Schwestern zurückkam, seufzte Denby. Er warf einen Blick auf die Tür. Auf der anderen Seite wartete, wie er wusste, Robbie Bishops Teammanager. Martin Flanagan hatte die Nacht auf einem Stuhl zusammengesunken neben seinem Starspieler verbracht. Sein teurer Anzug war jetzt zerknittert, der Anflug von Bartstoppeln ließ sein knorriges Gesicht finster erscheinen. Sie waren sich schon in die Haare geraten, als Denby darauf bestanden hatte, dass der kampflustige Nordire den Raum verlassen solle, während sich die Ärzte besprachen. »Haben Sie eine Ahnung, wie viel der Junge Bradfield Victoria wert ist?«, hatte Flanagan gefragt.
    Denby hatte ihn mit kaltem Blick gemustert. »Er ist mir genau das Gleiche wert wie jeder andere Patient, den ich behandle«, hatte er entgegnet. »Und ich sitze ja auch nicht an der Seitenlinie und gebe Ihnen Ratschläge, welche Taktik Sie anwenden sollen. Lassen Sie mich also meine Arbeit machen, ohne sich einzumischen. Ich verlange, dass Sie meinem Patienten seine Intimsphäre lassen, wenn ich ihn untersuche.« Der Manager war schimpfend gegangen, aber Denby wusste genau, dass er trotzdem mit sorgenvollem und angsterfülltem Gesicht warten würde, weil er unbedingt etwas hören wollte, das im Gegensatz zu der Verschlimmerung stand, von der er schon etwas mitbekommen hatte.
    »Wenn Sie damit fertig sind, geben wir ihm Azidothymidin«, sagte er zu seiner Assistenzärztin. Ihm blieb nichts mehr außer diesem starken retroviralen Medikament, das ihnen vielleicht genug Zeit verschaffen würde, herauszubekommen, was Robbie Bishop fehlte.

Montag
    S ag mir noch mal, wieso ich dir erlaubt habe, diese dritte Flasche zu öffnen«, seufzte Chief Inspector Carol Jordan, legte den Gang ein und fuhr langsam ein paar Meter weiter.
    »Weil es seit deinem Umzug in die Yorkshire Dales das erste Mal war, dass du uns mit einem Besuch beehrt hast, und weil ich heute früh in Bradfield sein muss und du kein richtiges Gästezimmer hast. Deshalb brachte es nichts, gestern Nacht noch zurückzufahren.« Ihr Bruder Michael beugte sich vor und drehte an den Radioknöpfen. Carol schlug ihm auf die Hand.
    »Lass das«, sagte sie.
    Michael stöhnte. »Bradfield Sound. Wer hätte gedacht, dass ich so etwas je erleben würde? Lokalradio aus der tiefsten Provinz.«
    »Ich muss hören, was sich in meinem Bezirk tut.«
    Michael war skeptisch. »Du leitest die Sondereinsatzzentrale. Du bist der britischen Version des FBI angeschlossen. Du musst doch nicht wissen, ob ein Wasserrohrbruch den Verkehr auf dem Methley Way aufhält. Oder dass irgendein Fußballer mit Atemwegsproblemen ins Krankenhaus eingeliefert wurde.«
    »Hey, Mr. IT. Du warst das doch, der mir den Spruch ›Mikro wird zu Makro‹ beigebracht hat, oder? Ich weiß gern Bescheid über das, was sich ganz unten tut, weil es manchmal unerwartete Ereignisse am anderen Ende auslöst. Und er ist nicht ›irgendein Fußballer‹, sondern Robbie Bishop, der Stratege des Mittelfelds von Bradfield Victoria. Noch dazu ein Junge von hier. Seine weiblichen Fans belagern schon das Bradfield-Cross-Krankenhaus. Möglicherweise Verstöße gegen die öffentliche Ordnung.«
    Schmollend gab Michael auf. »Was auch immer. Mach doch, was du willst, Schwesterchen. Gott sei Dank, dass man den Sender nicht weit außerhalb der Stadt empfangen kann. Ich wäre verrückt geworden, wenn du mich gezwungen hättest, mir das auf dem ganzen Weg hierher anzuhören.« Er machte kreisende Bewegungen mit seinem Kopf und zuckte, wenn es krachte. »Hast du
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