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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Autoren: Daniel Wiechmann
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Schul ganga und gehen a heut no imma mal wieder oanen tringn. Also, wenn S’ mögn, kriegen S’ die Wohnung.«
    Halleluja! Ich war fassungslos. Ich hatte zwar keine Ahnung, was genau ein Spezl war, aber wenn es bedeutete, dass ich endlich eine Wohnung gefunden hatte, dann war ich gerne ein Spezl. Selbst von einem mir so unsympathischen Menschen wie Peter Senftlhuber.
    Zwei Stunden später rief ich Francesca an: »Ich habe eine Wohnung gefunden!«
    »Finalmente! Endlich. Und, ist sie schön, oder müssen wir weitersuchen, wenn wir erst mal in München sind?« Meine dramatischen Schilderungen von der schwierigen Suche hatten bei ihr offenbar Eindruck hinterlassen.
    »Nein, die Wohnung ist schön. Da können wir bleiben«, sagte ich und fügte stolz hinzu: »Mein Spezl, der Peter Senftlhuber, hat sie mir besorgt.«
    »Was ist ein Spezl? Und wer ist dieser Peter?«
    »Spezln sind wichtig. In Bayern muss jeder welche haben. Sonst ist man aufgeschmissen. Wie in der Wüste ohne Wasser. Du musst dir unbedingt auch welche besorgen, wenn wir erst mal hier sind. Wirste sehen! Und der Peter, das ist ein Kollege von mir. Der unsympathischste in der ganzen Redaktion. Ich glaube, du würdest stronzo zu ihm sagen.«
    »Aber wieso besorgt er dir dann eine Wohnung?«
    »Tja, dass funktioniert in München nun mal so«, erklärte ich wichtigtuerisch.
    »Mmmh, ich glaube, es ist Zeit, dass du dich ins Flugzeug setzt! Kaum bist du eine Woche allein in München, fängst du an, komisches Zeug zu erzählen. Ach, und ›stronzo‹ ist ein sehr schlechtes Wort. Das solltest du besser nicht benutzen.«
    »Dann hättest du es mir nicht beibringen dürfen.«
    »Ich hab es dir nicht beigebracht. Du hast es mir abgelauscht.«
    »Dann musst du beim Schimpfen eben besser aufpassen.«
    »Muss ich nicht. Ich bin eine Italienerin. Ich hab das Recht zu schimpfen. Wann immer ich will … Komm nach Hause.«
    Erleichtert fuhr ich zwei Tage später zurück nach Berlin. Durch die Wohnungssuche hatte ich einen ersten Einblick in das komplizierte bayerische Spezlsystem bekommen. Es sollte nicht mein letzter sein. Denn schließlich hält dieses System nicht nur den Münchner Wohnungsmarkt, sondern den gesamten Freistaat zusammen und am Laufen.

Exkurs: In welchem die Funktionsweise des Spezlwesens näher erläutert wird und der Leser erfährt, wie wichtig es im Leben ist, den richtigen Architekten für den Bau seines Hauses zu finden
    In München kennt wirklich jeder jeden. Businesstrainer für Networking-Seminare haben hier mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie Melonenbauern in der Wüste. Das Netzwerken steckt den Münchnern im Blut. Ich konnte von Glück sagen, dass ich eine Wohnung gefunden und bereits einen Job in der Tasche hatte. Normalerweise, wenn in einem Unternehmen eine Stelle frei wird, dann fragen zuerst sämtliche Mitarbeiter ihre Freunde und Bekannten, ob sie nicht jemanden kennen würden, der sich für den Job interessiert. Oder aber sie holen gleich ihre Freunde und Bekannten mit ins Boot. Dabei spielt es augenscheinlich keine Rolle, wie sehr man miteinander befreundet ist. Oder ob man sich wirklich gut kennt. Nicht einmal Sympathien sind für eine Empfehlung vonnöten. Im Gegenteil, oft genug werden Leute empfohlen, von denen der Empfehlende bis dahin nur schlecht geredet hatte. Kompetenz ist ebenfalls nicht das ausschlaggebende Kriterium für eine Empfehlung, denn es geht um die Empfehlung an sich. Das bayerische Spezlwesen beruht nicht etwa auf gegenseitiger Zuneigung oder Wertschätzung, sondern einzig und allein auf der Anzahl der gesammelten und der eingeforderten Gefallen. Schließlich weiß man ja nie und begegnet sich immer zweimal im Leben. Je mehr Gefallen man gewährt, desto dichter gewebt sind die Verstrickungen, die einen in Zeiten der Not am freien Fall hindern. Und darum geht es. Wenn man diese Regeln kennt, dann verwundert es einen überhaupt nicht mehr, dass es in Bayern so viele Personen in wichtigen Ämtern gibt, die beim Stöckchentest schlechter als ein Orang-Utan abschneiden würden. Der Orang-Utan hatte halt einfach das Pech, nicht die richtigen Leute zu kennen. Sonst säße er heute nicht im Tierpark Hellabrunn im Käfig, sondern im Vorstand einer bayerischen Bank. Dass Leute wie ich trotzdem eine Chance auf einen Job in München haben, liegt an immer wieder auftauchenden Anomalien im Spezlnetzwerk. Entweder sind gerade alle Spezln mit Arbeit versorgt, im Urlaub oder wechselten ihren Telefonanbieter,
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