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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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alles mögliche Getier zu sein. Die Menschen wollen viel lieber ein Dach über dem Kopf und volle Teller für ihre Familien. Bevor ich hier aufgetaucht bin, lebten die meisten in ärmlichsten Verhältnissen. Für sie bin ich ein guter Mensch, denn ich gebe ihnen Arbeit und Geld und damit ein besseres Leben.“
    Kandins Selbstherrlichkeit brachte Paula auf die Palme.
    Die letzten Sätze erinnerten sie an Tante Irma, die ähnliche Worte verwendete, wenn es darum ging, die Gräueltaten Adolf Hitlers schönzureden. „Sie vernichten den Lebensraum aller, die hier wohnen, und das wahrscheinlich für alle Ewigkeit. Sie haben in diesem unterirdischen Raum Tonnen hochgiftiger Chemikalien gelagert, die früher oder später das Trinkwasser vergiften und die Natur zerstören werden. Was ist das alles gegen das bisschen Geld, das Ihre Handlanger von Ihnen erhalten?“
    Kandin lachte spöttisch auf.
    „Frau Magistra Ender, aus Ihrem Mund spricht eine grüne Intellektuelle aus Österreich. Sie haben keine reale Vorstellung davon, was es für viele Menschen auf diesem Planeten bedeutet, den Tag zu überleben. Aber danke, dass Sie mir so nebenbei Fragen beantworten, die ich noch nicht gestellt habe. Ihren Worten entnehme ich, dass Sie mein zweites kleines Geheimnis bereits gelüftet haben. Ich dachte, Sie hätten nur entdeckt, dass die Müllanlage eine Farce ist, aber dass Sie auch die Giftfässer aufgespürt haben …“ Kandin musste den Satz nicht beenden, damit Paula verstand, dass die unbedachte Äußerung ihr Todesurteil war.
    „Doch zurück zu Ihrer Frage: Sie sind doch hoffentlich nicht wirklich so naiv zu glauben, dass Sie Leuten, denen das Mindeste zum Leben fehlt, mit dieser Umweltmasche kommen können? In Österreich ist man finanziell und sozial abgesichert, kann sich bei jedem Wehwehchen zumeist kostenlos behandelnlassen und wenn man einmal die Arbeit verliert, dann fängt einen ein soziales Netz auf. Hier arbeiten viele Menschen unter unwürdigsten Bedingungen und hüten sich den Mund aufzumachen, weil sie dann auch die wenigen Colones verlieren würden, die sie verdienen. Arbeitnehmer haben hier wenig Chancen, ihre Situation zu verbessern. Es gibt eine eigene antigewerkschaftliche Vereinigung, den solidarismo, die dazu dient, Streiks zur Verbesserung der Arbeitssituation zu verhindern. Die Arbeiter werden durch soziale Kontrolle unter Druck gesetzt, der Verbindung beizutreten. Es bleibt ihnen keine Wahl. Entweder sie akzeptieren die unmenschlichen und oft gesundheitsschädigenden Bedingungen ihrer schlecht bezahlten Jobs oder sie müssen mit Sanktionen rechnen, wie die Zuweisung gefährlicher Tätigkeiten oder Eintragungen in schwarze Listen, die eine Neueinstellung von Gewerkschaftssympathisanten verhindern und die Aufmüpfigen damit in die völlige Armut stürzen. So schaut es aus. Was meinen Sie, wie rasch und relativ günstig man hier jemanden finden kann, der einem unliebsame Personen vom Hals schafft?“ Er lachte gehässig.
    Paula beschloss, aufs Ganze zu gehen: „Hatten Sie auch bei den Experten, die mit der Cessna abgestürzt sind, Ihre Finger im Spiel?“
    Kandins Gesicht glühte. „Sehen Sie, das waren solche Leute, von denen ich vorhin gesprochen habe. Menschen, die sich einbilden, sie wären etwas Besseres und wüssten, was gut für die restliche Welt ist. Solche Leute sind von der eigenen Meinung so überzeugt, dass sie die Zusammenhänge übersehen.“
    Dann erzählte er Paula von seinen Versuchen, die Sachverständigen, darunter den Österreicher Roman Bartl, davon zu überzeugen, dass es nichts zur Sache tat, dass die Anlage zum Teil im Gebiet des Nationalparks gebaut worden war. Als sie trotz großzügiger finanzieller Angebote nicht auf seine Seite gewechselt waren und vor allem Bartl ihm gedroht hatte, denSachverhalt auf dem internationalen Kongress publik zu machen, hatte er rasch agieren müssen. „Ich konnte doch nicht zulassen, dass wegen einiger Kilometer Naturlandschaft mein bis ins kleinste Detail durchgeplantes Projekt den Bach runterging. Das verstehen Sie doch? Wenn diese Verrückten hierhergekommen wären, dann hätten sie zu früh entdeckt, dass die Müllverarbeitungsanlage keinen Humus produzieren kann und ich alle Gelder in die eigene Tasche gesteckt hatte. Wahrscheinlich wären sie irgendwann auch auf den Bunker mit den Fässern gestoßen.“
    Der Schweiß rann ihm über das Gesicht und er lockerte seinen Hemdkragen.
    „Es war nicht schwer einen Burschen zu finden, der rasch
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