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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann
Autoren: Evi Simeoni
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ich schon damals wusste, dass diese Zeit nicht so schnell unterboten würde. Und wirklich gilt sie auch noch 17 Jahre später als Weltbestzeit, auch wenn man wegen der Winde und möglichen Wasserströme die Zeiten auf den unterschiedlichen Regattastrecken nicht exakt miteinander vergleichen kann. Aber so sind wir eben im Hochleistungssport, das ist uns egal. Wir lieben Zahlen, mit ein paar Ziffern können wir unsere Welt beschreiben. Wir können sie uns mühelos merken, lange Listen von Rekorden und Bestleistungen. In Wahrheit ist das Leben nur so lange auszuhalten, wie man es in Zahlen ausdrücken kann.
    Auch damals erwartete ich von meiner Reise an diese sonnige Regattastrecke auf dem Altarm eines Flusses nicht nur eine gute Story. Ich musste für eine Weile abtauchen in eine einfach strukturierte Welt. Mit meinem Leben abseits des Berufs kam ich zu dieser Zeit nicht mehr richtig klar. Ich fühlte mich völlig abgenudelt. Darum hatte ich mich in meinen BMW gesetzt, im Kofferraum saubere Wäsche und einen Pullover, auf dem Nebensitz meinen neuen Laptop und eine Stange Marlboro. Ich hoffte, nicht viel mehr zu benötigen in dieser Woche. Mehr wollte ich nicht, vor allem keine neuen Probleme. Ich fuhr los und zündete mir eine Zigarette an, und wenn ich eine Kippe zu Ende geraucht hatte, kurbelte ich das Fenster herunter, schnippte mit meinem Zeigefinger die Kippe hinaus und zündete die nächste an, und so machte ich weiter, bis ich in einem stinkenden Loch von einem BMW saß und alles, die Polster, meine Klamotten und die Nasennebenhöhlen, meine Computertasche auf dem Beifahrersitz und später die Tüte mit meinem Schinkenbrötchen vom Rasthaus sich vollgesogen hatten mit Nikotin, und ich in einer selbst geschaffenen Atmosphäresaß. Ich bekam Kopfschmerzen, und sie fühlten sich passend an.
    Es war die Hölle auf fahrenden zwei Quadratmetern, und dass das so war, fand ich besser zu ertragen als unser gut gelüftetes Einfamilienhaus mit meiner Frau darin. Ich musste aufpassen, dass ihr verletzter Gesichtsausdruck mich nicht bis hierher verfolgte. Mit der höheren Gerechtigkeit stimmt etwas nicht. Die vielen Schwerenöter und Egoisten, mit denen ich mein ganzes Journalistenleben lang zu tun hatte, kommen mit den absurdesten Ausreden davon, während mich eine einzige Sünde alles kostete. Ich weiß, wie rüde manche Männer, und wie unbelehrbar manche Frauen sind. Sie erzählen es mir. Ich bin ein netter Kerl mit einem strapaziösen, aber für den Beruf auch oft nützlichen Schicksal: Man schüttet mir sein Herz aus. Ich aber war untauglich als Schürzenjäger. Mit fast 50 Jahren verliebte ich mich in eine Volontärin. Und meine Frau liebte ich auch immer noch. Zu viel Liebe.
    Ich holte mir ein Bier und setzte mich zu den Ruderern. Plötzlich fühlte ich mich wie ein einsamer Versager neben diesen Weltmeistern, am liebsten wäre ich jetzt allein gewesen, aber die Arbeit ging vor. Ich war jetzt schon ein paar Tage hier, aber es ging mir immer noch nicht besser. Und das Mädel, das sich auf Arne Hansens Knie setzte, stürzte mich noch weiter ins Elend. Genauso süß war meine Frau gewesen, als wir uns kennenlernten. So eine, das wusste ich, würde ich nie wieder abkriegen, selbst wenn ich mit dem Rauchen aufhören würde.
    Dieses Gefühl der Sinnlosigkeit betäubte mich einen Moment lang so sehr, dass ich nur noch mich und die Frau wahrnahm. Sie hatte nicht nur einen schlanken, sportlichen Körper. Ihr seidiges braunes Haar schien achtlos mit einer Spange zusammengesteckt und gleichzeitig von den Göttern der Antike in perfekte Form gebracht zu sein. Ihr Lächeln war so bezaubernd,dass ich nicht aufhören konnte, sie anzustarren. Und das, obwohl sie ausschließlich Arne anlächelte. Gleichzeitig hatte sie mit ihrem Blick aber die ganze Szene unter Kontrolle, als lauerte sie auf irgendeine Bedrohung, vor der sie ihren muskelbepackten Freund würde schützen müssen. Meine Augen blieben an ihrem Busen hängen. Sie kam ohne irgendeine textile Hilfestellung aus, trug nur ein dünnes rosa Achselhemd mit zarten Schweißrändern unter den Armen, und nichts darunter. Sie musterte mich kühl.
    »Komm, Anja«, sagte Hansen, und meinte offenbar das Gegenteil, denn er packte sie um die Hüften und schob sie sanft, aber bestimmt, auf den sechsten Biergartenstuhl. Sie gab widerwillig nach und wischte sich, nach ein paar lockeren Haarsträhnen pustend, mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. So, als wollte sie mit dieser
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