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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann
Autoren: Evi Simeoni
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kann nichts mehr ungeschehen machen. Ich weiß ja, was unter der schwarz oxidierten Schicht hervorkommen wird.
    Paco Müller, 2. Preis
    Ein kleiner, ambitionierter Sportverein hatte den Preis ausgesetzt, »für hervorragende Leistungen im Sportjournalismus«. Der Sieger hatte den Torhüter der Fußball-Abteilung beschrieben.
    Bei der Verleihung in einer kleinen Turnhalle nahm ich den Teller mit möglichst dankbarer Miene entgegen und tat so, als bedeute mir der Preis sehr viel, aber das war gespielt. Ich war überzeugt davon, dass mir eigentlich der erste Preis gebührt hätte. Ein paar Leute vom Verein gratulierten mir, der stellvertretendeVorsitzende im Cordjackett, ein Deutschlehrer, der zur Jury gehört hatte, schien wirklich interessiert an dem Artikel. Dieser hieß: »Der Schlagmann« und handelte von Arne Hansen, einem der berühmtesten Ruderer unserer Zeit.
    Der Lehrer sagte lächelnd: »Wirklich sehr gut geschrieben.«
    Ich brummte verlegen: »Man bemüht sich.«
    Zu Hause versuchte ich, die Katze, die manchmal über meinen Balkon hereinschlich, von dem Silberteller fressen zu lassen, aber sie mochte das Metall nicht und zerrte das Futter auf den Boden. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass sie aus dem Siegerpokal sicher genauso wenig gefressen hätte.
    So schlecht war der Artikel wirklich nicht. Der Untertitel hieß: »Was auch immer Arne Hansen anfasst, wird zu Gold«.
    Ich hatte geschrieben: »Erst Olympiasieger im Achter, jetzt Weltmeister im Vierer – Arne Hansen beweist seine Klasse.«
    Das Innere des Tellers ist nun sauber. Ich fahre mit dem rechten Zeigefinger über die gravierte Schrift. Es ist still in meinem Arbeitszimmer, und es stinkt nach Rauch. Die Vorhänge am gekippten Fenster sind gelblich, die Ecken der Zimmerdecke dunkel verfärbt.
    Ich frage mich, wieso ich eigentlich rauche.
    Wann kam dieses Gefühl, dass ich keinerlei Mitspracherecht in meinem eigenen Leben habe? Ich bin einfach weitergetrudelt.
    Hansen war stark. Er ruderte so kraftvoll wie kein Zweiter. Zu der Zeit, als ich die Reportage schrieb, war er ein Crack. Ein blonder Riese mit einem Hochleistungskörper und einem intelligenten Kopf. Ein Student mit Muskeln, ein Stolz der Nation.
    Ich hatte meine Auftraggeber überzeugt, dass Arne und seine Recken lohnendes Material für eine Reportage abgeben würden und war zur Weltmeisterschaft Richtung Süden gefahren. Und Arne tat mir den Gefallen. Der Gold-Schlagmann des Olympia-Achters schnappte sich diesmal den Weltmeistertitel im Vierermit Steuermann. Und zwar überlegen. Sein Blondhaar leuchtete noch heller als seine Trophäen.
    Meine Finger sind jetzt schwarz. Ich lege Lappen und Teller beiseite, nehme die Zigarette aus dem Mund und drücke sie in dem gläsernen Aschenbecher auf meinem Schreibtisch aus. Ich frage mich, wieso ich den Teller wiedergefunden habe. Und wieso gerade jetzt?
    In meiner Erinnerung laufe ich am Rande einer Regattastrecke über eine zertretene Wiese auf einen Biergarten zu. Die altmodischen Tische und Stühle sind hellgrün und so von Farbschichten verklebt, dass ihre ursprüngliche Klappmechanik kaum mehr funktionieren kann. Den ganzen Tag sind Rennen gefahren worden, die Hektik einer Weltmeisterschaft ist noch zu spüren, obwohl die Szenerie sich langsam beruhigt hat. Die Sonne steht schon tief, die aufgeregten Stimmen der Regattasprecher sind verstummt, draußen auf dem Wasser sammeln Helfer auf den Katamaranen die Bojen ein. Die Boote sind schon wieder verladen und werden auf langen Trailern festgezurrt. Der Biergarten ist voll, neben dem Getränkestand basteln ein paar Leute an einer mobilen Bühne mit einer wackeligen Lautsprecheranlage. Gleich soll die Abschiedsparty beginnen.
    Hansen und die anderen drei sitzen am Tisch im Abendlicht, ihre Goldmedaillen umgehängt, vor ihnen stehen gläserne, beschlagene Bierkrüge. Sie trinken in großen Schlucken. Natürlich vertragen sie nichts, sie haben schon angefangen zu blödeln, und ich bin besorgt, dass sie schon besoffen sein und mir nur noch Unsinn erzählen könnten. Es ging mir nicht besonders gut damals, und ich dachte, vielleicht sollte ich meinen karierten Reporterblock am besten in die nächste Bierlache werfen und mitfeiern.
    Sie haben nicht nur den Weltmeistertitel im Vierer mit Steuermann gewonnen, sie sind die 2000 Meter in 5:58,96 Minutengefahren, und das ist beste Zeit, die in dieser Bootsklasse jemals gefahren worden ist. Arne, die Rakete.
    Ich behaupte ohne falsche Bescheidenheit, dass
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