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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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menschliche Pflicht, denn die Profite aus den polnischen Unternehmungen waren derart enorm, daß die erforderlichen Gelder ohne weiteres abfielen. Schindler selber verdiente an den Aufträgen der Rüstungsinspektion, welche die deutsche Wehrmacht mit allem versorgte, was gebraucht wurde, mehr als genug, um als Unternehmer seinen Vater weit zu übertreffen was sein heimlicher Wunsch war.
    Allerdings kannte er außer sich selber, Madritsch und Titsch niemanden, der für Häftlinge Lebensmittel auf dem schwarzen Markt besorgte.
    Kurz vor dem Essen nahm Bosch wie erwartet Schindler beiseite und führte ihn näher zu den Brüdern Rosner hin, so als wünsche er, daß deren Spiel sein Gespräch mit Schindler für die anderen unhörbar machte.
    »Ihre Geschäfte gehen gut?« fragte Bosch.
    Schindler schmunzelte. »Wie Sie sehen, Herr Bosch.«
    Selbstverständlich kannte Bosch die Bekanntmachungen der Rüstungsinspektion betreffend Auftragsvergabe an die hiesige Industrie. »Ich habe mir gedacht, Sie hätten vielleicht Lust, in Anbetracht der guten Auftragslage, die wir dem günstigen Kriegsverlauf danken, eine… sagen wir generöse Geste zu machen, eine Geste, nichts weiter… ? «
    »Aber gern«, Schindler verspürte den Ekel, der aufkommt, wenn man merkt, daß man ausgenutzt werden soll, zugleich aber auch so etwas wie Freude. Scherner hatte zweimal seinen Einfluß aufgeboten, Schindler aus dem Gefängnis loszueisen, und es konnte nicht schaden, ihn sich ein weiteres Mal über Bosch zu verpflichten.
    »Meine Tante in Bremen ist total ausgebombt«, erläuterte Bosch. »Möbel, Geschirr, alles futsch. Ich dachte mir, Sie könnten vielleicht aushelfen. Mit einigen Töpfen und den großen Terrinen, die Sie in der DEF herstellen.«
    DEF, Deutsche Emailfabrik, war Schindlers blühendes Unternehmen. Polen und Juden nannten die Fabrik nicht DEF, sondern Emalia.
    »Das dürfte sich machen lassen«, sagte Schindler. »Soll ich die Sachen Ihrer Tante direkt schicken?«
    Bosch verzog keine Miene. »Lieber an mich, ich möchte noch einen Gruß beifügen.«
    »Einverstanden.«
    »Gut denn, sagen wir drei Dutzend von jeder Sorte Suppenschüsseln, Teller, Kaffeetassen.
    Und ein halbes Dutzend große Terrinen.« Schindler lachte, wenn auch etwas gequält. Er war aber durchaus willig, mit Geschenken war er stets freigebig. Nur hatte Bosch offenbar massenhaft bombengeschädigte Verwandte.
    »Betreibt Ihre Tante vielleicht ein Waisenhaus?« fragte er deshalb gedämpft.
    Bosch sah ihm fest in die Augen, er machte sich nicht die Mühe, sich zu verstellen. »Sie ist eine mittellose alte Frau; was ich ihr schicke, kann sie tauschen oder verkaufen.«
    »Ich werde das durch meine Sekretärin veranlassen.«
    »Durch die hübsche Polin?« fragte Bosch.
    »Eben die.«
    Bosch wollte die Lippen spitzen und bewundernd pfeifen, doch sein Mund war zu schlaff.
    Statt dessen erlaubte er sich eine Bemerkung von Mann zu Mann: »Ihre Frau muß ein wahrer Engel sein.«
    »Ist sie«, stimmte Schindler zu. Bosch sollte seinethalben das Geschirr bekommen, Bemerkungen über Schindlers Frau jedoch unterlassen.
    »Wie stellen Sie das nur an?« insistierte Bosch. »Sie weiß doch bestimmt Bescheid?«
    Schindler verfinsterte sich, der Ausdruck von Ekel auf seinem Gesicht war nicht zu übersehen. Der dumpf grollende Ton, in dem er antwortete, unterschied sich allerdings kaum von seiner normalen Stimmlage.
    »Ich erörtere niemals Privatangelegenheiten.«
    Bosch sprudelte Entschuldigungen hervor. Schindler war nicht danach zumute, Bosch zu erklären, daß die Tragödie seiner Ehe in einer Unvereinbarkeit der Temperamente begründet war — Frau Emilie war Asketin, er selber Genießer. Diese beiden hatten sich aus freien Stücken und gegen alle Ratschläge aneinander gebunden. Schindlers Ärger über Bosch ging tiefer, als er zugeben mochte; Emilie war Schindlers verstorbener Mutter sehr ähnlich, die 1935 von ihrem Mann, Schindlers Vater, verlassen worden war. Schindler empfand daher jede Anspielung auf seine Ehe zugleich als eine solche auf die Ehe seiner Eltern.
    Man ging zu Tisch. Das Mädchen servierte Zwiebelsuppe. Rosners spielten unermüdlich, hatten sich dem Tisch um einiges genähert, achteten aber darauf, dem Mädchen und den beiden ukrainischen Ordonnanzen nicht in den Weg zu kommen. Schindler, der zwischen einer schlanken Deutschen (die Scherner bereits für sich reklamiert hatte) und einer besonders hübschen Polin saß, bemerkte, daß beide Frauen das
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