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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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beleibt. Dank seiner ausschweifenden Lebensweise wirkte sein Schützling Göth allerdings nicht um so viel jünger, als er in Wirklichkeit war.
    Der älteste der anwesenden Herren war Franz Bosch, Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, der mehrere Werkstätten teils legaler, teils illegaler Art im Lager betrieb, Wirtschaftsberater von Scherner war und geschäftliche Verbindungen in der Stadt unterhielt. Schindler verabscheute Scherner und Czurda, brauchte aber ihr Wohlwollen für seinen Betrieb in Zablocie und machte ihnen deshalb regelmäßig Geschenke. Die einzigen Gäste, mit denen ihn so etwas wie Seelenverwandtschaft verband, waren Julius Madritsch, Eigentümer der im Lager Plaszow angesiedelten Uniformfabrik, und dessen Geschäftsführer Raimund Titsch. Madritsch war etwa ein Jahr jünger als Schindler und Göth.
    Er war ein unternehmender, sehr menschlicher Mann, und hätte man ihn gefragt, wie er denn das Betreiben einer einträglichen Produktionsanlage in einem Zwangsarbeiterlager rechtfertigen könne, hätte er erwidert, daß er darin immerhin fast 4000 Häftlinge beschäftige und diese mithin davor bewahre, in den Vernichtungslagern umgebracht zu werden. Raimund Titsch, Anfang Vierzig, zierlich, zurückhaltend und vermutlich derjenige, der als erster aufbrechen würde, teilte die Ansichten von Madritsch und schmuggelte lastwagenweise Lebensmittel für die Häftlinge ins Lager, was ihn leicht ins SS-Gefängnis Montelupich oder nach Auschwitz bringen konnte.
    Die vier anwesenden Damen, elegant gekleidet und frisiert und jünger als die Herren, waren teils Deutsche, teils Polinnen aus Krakau und vom horizontalen Gewerbe. Manche kamen regelmäßig zu diesen Herrenabenden, und da sie heute zu viert waren, hatten die Stabsoffiziere immerhin die Auswahl. Majola, die deutsche Mätresse von Göth, blieb diesen Veranstaltungen fern, sie beleidigten ihr Feingefühl.
    Es unterliegt keinem Zweifel, daß die SS-Führer für Schindler auf ihre Art eine Schwäche hatten. Indessen fanden sie ihn auch etwas exotisch, was an seiner Herkunft aus dem Sudetenland liegen mochte, und verdächtigten ihn, nicht ganz die richtige Einstellung zu haben. Immerhin zahlte er reichlich, beschaffte Mangelware, war trinkfest und hatte Sinn für Humor. Er gehörte zu jenen Männern, die man mit einem Kopfnicken begrüßt, nicht aber mit überschäumender Herzlichkeit - das war weder notwendig noch klug.
    Wer Schindler in jener Zeit gekannt hat, bestätigt, daß er bei Frauen unweigerlich Erfolg hatte, und so erregte er denn auch die Aufmerksamkeit der anwesenden Damen, als er das Zimmer betrat. Göth ging auf ihn zu, um ihn zu begrüßen und ihn vorzustellen. Der Kommandant war ebenso groß wie Schindler, wirkte aber trotz oder gerade wegen seines athletischen Körperbaues ungemein dick für einen Mann Anfang der Dreißig. Sein Gesicht allerdings hatte noch nicht gelitten, nur in seinen Augen glomm ein weinseliges Funkeln, denn er trank übermäßig viel einheimischen Schnaps.
    Dem Finanzgenie von Plaszow und Wirtschaftsberater der SS Bosch konnte er allerdings nicht das Wasser reichen. Bosch war ein schwerer Trinker, und es war ihm anzusehen.
    Schindler wußte, daß Bosch ihn heute abend um eine Gefälligkeit bitten würde.
    Göth also stellte Schindler den Damen als »unseren Industriellen« vor, die Brüder Rosner spielten derweil Straußmelodien und hielten die Blicke gesenkt, Henry auf den Geigensteg, Leo auf die Tasten seiner Ziehharmonika.
    Schindler empfand so etwas wie Mitleid mit den Damen, denen er höflich die Hand küßte.
    Sobald es später zu handfesten Zärtlichkeiten von Seiten der Herren kommen würde, dürften sie nichts zu lachen haben, das wußte er. Göth war ein Sadist, schon gar, wenn er getrunken hatte, wenn er auch jetzt noch den Wiener Kavalier spielte.
    Vor dem Essen waren die Gespräche belanglos. Gesprochen wurde über den Krieg, was dem SD-Mann Czurda Gelegenheit bot zu versichern, daß die Krim auf jeden Fall gehalten werde.
    Oberführer Scherner erzählte, ein Oberscharführer seiner Bekanntschaft, ein reizender Hamburger, habe beide Beine verloren, als Partisanen in ein Café in Tschenstochau eine Bombe warfen. Schindler redete mit Madritsch und Titsch über Geschäfte. Diese drei Unternehmer verstanden einander wie gesagt gut. Schindler wußte, daß Titsch den Häftlingen in Madritschs Fabrik heimlich Lebensmittel zukommen ließ, und daß Madritsch das Geld dafür gab. Schindler sah darin eine selbstverständliche
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