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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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bedürftig war, die er nahm, als er auf der Strecke nach Lwow die Viehwagen halten sah, in denen sich Infanteristen, Häftlinge oder das war eher unwahrscheinlich Rinder befinden mochten.
    Etwa zehn Kilometer vom Stadtkern entfernt bog der Adler nach rechts in die Jerozolimskastraße ein. In der frostklaren Abendluft machte Schindler den Umriß der zerstörten Leichenhalle am Fuße der Anhöhe aus, sodann die kargen Baracken, die das sogenannte Jerusalem bildeten, das Zwangsarbeiterlager Plaszow, das derzeit 20 verängstigte Juden beherbergte. Ukrainer und Posten der Waffen-SS grüßten Schindler höflich am Tor, denn man kannte ihn hier mindestens so gut wie an der Brücke von Podgorze.
    Auf der Höhe des Verwaltungsgebäudes nahm der Adler die mit jüdischen Grabsteinen gepflasterte Lagerstraße unter die Räder. Bis vor zwei Jahren war das Gelände hier ein jüdischer Friedhof gewesen.
    Zur Rechten, hinter den Baracken der Wachmannschaften, stand die ehemalige jüdische Leichenhalle; sie schien zu sagen, daß der Tod hier auf natürliche Weise eintrat und man die Leichen ordentlich aufbahrte. Tatsächlich diente die Halle dem Kommandanten jetzt als Pferdestall. Schindler war dieser Anblick vertraut, es ist aber nicht ausgeschlossen, daß er darauf mit Bitterkeit reagierte. Tat man dies allerdings bei jedem ausgefallenen Anblick, der sich einem derzeit in Europa bot, bestand die Gefahr, von Bitterkeit zerfressen zu werden.
    Schindler indessen besaß eine enorme Widerstandskraft gegen solche Bedrohung.
    Um die gleiche Zeit war auch ein Häftling namens Poldek Pfefferberg unterwegs zur Villa des Kommandanten. Dessen neunzehnjähriger Bursche Lisiek, ebenfalls ein Häftling, hatte Pfefferberg mit einem Passierschein aus der Baracke geholt, weil er den Schmutzrand in der Badewanne von Göth nicht beseitigen konnte und fürchtete, am folgenden Morgen, wenn der Kommandant sein Bad nehmen wollte, geschlagen zu werden. Pfefferberg, ehedem Lisieks Lehrer in Podgorze, arbeitete in der Lagergarage und hatte Zugang zu Lösungsmitteln.
    Zusammen mit Lisiek holte er das Nötige. Die Villa des Kommandanten zu betreten war in jedem Fall ein Risiko, allerdings bestand die Möglichkeit, von Helen Hirsch etwas zu essen zu bekommen; die war das von Göth häufig mißhandelte jüdische Hausmädchen, sehr hilfsbereit und ebenfalls Pfefferbergs Schülerin.
    Die Hunde eine dänische Dogge, eine deutsche Dogge und andere, die Göth am Haus hielt, schlugen an, als der Adler noch hundert Meter vom Haus entfernt war. Die Villa glich einer Schachtel mit aufgesetztem Obergeschoß, dessen Fenster auf einen Balkon gingen, während um das ganze Haus ein Patio lief, der von einer Balustrade eingefaßt war. Göth saß im Sommer gern im Freien. Seit er in Plaszow war, hatte er stark zugenommen; im nächsten Sommer würde er ein recht dicker Sonnenanbeter sein, doch niemand in seinem Jerusalem würde wagen, sich über ihn lustig zu machen. Ein Unterscharführer mit weißen Handschuhen begrüßte Schindler und führte ihn ins Haus. In der Diele nahm Iwan, der ukrainische Bursche, ihm Hut und Mantel ab. Schindler versicherte sich mit einem Griff an die Brusttasche, daß er das Gastgeschenk bei sich hatte: ein vergoldetes Zigarettenetui vom schwarzen Markt. Göth machte so gute Geschäfte, besonders mit beschlagnahmtem Schmuck, daß vergoldet das mindeste war, was er erwartete.
    Im geöffneten Durchgang zum Speisezimmer spielten die Gebrüder Rosner auf, Henry Violine, Leo Ziehharmonika. Auf Weisung von Göth hatten sie die Fetzen, die sie zur Arbeit in der Malerwerkstatt trugen, mit anständigen Anzügen vertauscht, welche sie eigens für solche Gelegenheiten in der Baracke aufbewahrten. Schindler wußte, daß den Rosners bei diesen Darbietungen nie wohl war, obschon der Kommandant ihr Spiel schätzte. Sie kannten ihn gut, wußten, wie unberechenbar er war, und daß er zu ex-tempore-Hinrichtungen neigte.
    Sie spielten gewissenhaft und hofften sehr, sich nicht plötzlich und aus unerfindlichen Gründen seinen Unwillen zuzuziehen. Göth hatte für diesen Abend sechs Herren eingeladen: Schindler, Julian Scherner, den SS-und Polizeiführer im Distrikt Krakau, sowie Rolf Czurda, Chef des SD in Krakau. Scherner war Oberführer, Czurda Obersturmbannführer, Göth selber Hauptsturmführer. Scherner und Czurda waren die Ehrengäste, ihnen unterstand das Lager.
    Beide waren älter als Göth, Scherner sah geradezu betagt aus, mit Brille und Glatze und recht
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