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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition)
Autoren: Ingrid Law
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was Ödes«, sagte Bobbi gerade, als wir ins Zimmer kamen. »Ich fasse es nicht, dass wir herkommen mussten.« Bobbi und Will junior waren noch nie bei uns gewesen und jetzt stöberten, spähten und schnüffelten sie herum. Bobbi brachte einen Stapel halbfertiger Bilder von Momma durcheinander, und Will junior hielt einen von Gypsys Bauklötzen in der Hand und stupste Samsons tote Schildkröte an, die steif und reglos in ihrem Panzer im Aquarium lag.  
    »Halt die Klappe, Bobbi«, sagte Will. »Ihr Vater liegt im Krankenhaus. Sei mal ein bisschen mitfühlend.«  
    »Wir brauchen eurer Mitleid nicht«, sagte ich rundheraus, und beide zuckten zusammen, sie hatten uns nicht hereinkommen sehen. »Wir kommen schon klar«, fügte ich hinzu.  
    Bobbi drehte sich zu Samson und mir um und sah uns an, als wären wir die Eindringlinge. Mit einem schweren, gekonnten Seufzer verdrehte sie die Augen, ließ eine große rosa Kaugummiblase platzen und warf sich dann mit einem angewiderten Grunzen aufs Sofa.  
    »Kann man hier denn überhaupt nichts machen?«, motzte sie, lehnte sich zurück und schloss die Augen, wobei sie eine Hand theatralisch auf die Stirn legte. Ich bemerkte, dass Bobbi Glitzerlidschatten trug und ein Piercing in der rechten Augenbraue hatte. Ein kleiner goldener Ring lugte, kaum sichtbar, unter ihren langen Ponyfransen hervor, und ich wunderte mich, wie Miss Rosemary ihr das hatte durchgehen lassen.  
    »Beachtet sie einfach gar nicht«, sagte Will mit einem wütenden Blick zu Bobbi, dann schaute er Samson und mich freundlich an. Will junior war vierzehn, wie Fish, allerdings war er größer und hielt seine braunen Locken, ganz im Gegensatz zu meinem Bruder, im Zaum. Auf Will war ich schon immer neugierig gewesen. Ich hatte ihn irgendwann sagen hören, dass er später mal genauso werden wollte wie sein Daddy. Doch während die anderen in der Kirche uns Beaumonts mieden, schien Will uns immer auf den Fersen zu sein oder uns zu beobachten, wenn er eigentlich beten sollte. Einmal gab er mir sogar seinen eigenen Becher, als am Tisch mit dem Fruchtpunsch so ein Gedränge herrschte, dass ich nicht durchkam. Aber obwohl Will junior und Fish im selben Alter waren und Fish keinen einzigen Freund hatte, konnte er Will nicht leiden und hielt ihn für einen selbstgerechten Predigersohn. Ich dagegen fand ihn eigentlich nett, wenn er auch ein bisschen brav wirkte.  
    Will wandte sich wieder zum Aquarium. »Lebt die Schildkröte oder ist sie …?« Er riss sich gerade noch rechtzeitig vor dem »tot« zusammen und verzog entschuldigend das Gesicht.  
    Samson ließ meine Hand los und huschte wie ein Schatten durchs Zimmer, um seine Schildkröte aus dem Aquarium zu holen und vor Will juniors neugierigen Blicken zu schützen. Nachdem er den älteren Jungen lange und ohne zu blinzeln angestarrt hatte, flitzte er mit dem leblosen Tier aus dem Zimmer, um sich irgendwo zu verstecken wie eine staubige graue Motte. Ich wusste, dass mein Bruder irgendwann später hinter einer Tür, unter seinem Bett oder einem Wäschestapel wiederauftauchen würde.  
    Will junior legte den Bauklotz zurück, wischte sich die Hände an der Hose ab und setzte eine pastorenhaft besorgte Miene auf, die jedem Prediger zur Ehre gereicht hätte.  
    »Ich hoffe, Mr Beaumont wird wieder gesund«, sagte er mit Grabesernst. »Wir beten alle für deinen Vater.«  
    »Okay.« Ich zuckte verlegen die Achseln. Nicht, dass ich etwas gegen Beten gehabt hätte – ich betete jeden Abend, dass mein Schimmer käme und der beste Schimmer der Welt würde. Ich betete, fliegen oder mit den Augen Laserstrahlen abfeuern zu können. Ich betete auch für Opa Bomba und für Gypsy, wenn sie mal wieder Krupp hatte. Aber es war mir bisher noch nicht in den Sinn gekommen, für Poppa zu beten, und wieder kam ich mir selbstsüchtig vor, ich schämte mich und fühlte mich so mies, dass ein Haus mit einem RUMS auf mir hätte landen können, so dass nur noch die Füße rausguckten, so gemein fand ich mich.  
    Will junior kam zu mir und legte mir auf eine seltsame, erwachsene Art die Hand auf die Schulter, er beugte sich vor und neigte dabei den Kopf, als wollte er meine Augen nach Tränen absuchen.  
    »Mutter hat euch einen Hackbraten mitgebracht«, sagte er, als wäre damit alles in Ordnung. Ich wich einen Schritt zurück, ich wusste nicht recht, wie ich es finden sollte, Will so nah bei mir zu haben – auch wenn er bisher immer nett gewesen war. Und wenn ich
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