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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition)
Autoren: Ingrid Law
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Sagrotan und Karamell und hatte ihre ganz genauen Vorstellungen davon, was richtig und falsch war – wie Koffer, die sie andere Leute tragen ließ –, und sie sah es als ihre Aufgabe an, dass alles und jeder so tipptopp tadellos wurde, wie der Herrgott es ihrer Meinung nach geplant hatte. Irgendwie war ihr die Nachricht, dass Poppa einen Unfall gehabt hatte und wir auf uns allein gestellt waren, schon zu Ohren gekommen. Und jetzt war Miss Rosemary hier, um alles zu regeln.  
    Das Wasser sprudelte aus dem Schlauch in Fishs Hand und wirbelte um den Wagen wie ein Zyklon mitten in dem Wind, der mit Fishs schlechter Laune aufgekommen war. Die Bäume am Haus, die helles, gelbgrünes Frühlingslaub trugen, wogten und neigten sich. Als Fish uns kommen sah, ließ er den Schlauch sinken, sein Gesicht stand auf Sturm.  
    »Wenn ihr schlau seid, schleicht ihr euch zur Hintertür rein.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Haus. Wir standen alle da und schauten traurig auf unser schönes Haus, als hätten wir gerade erfahren, dass in unserer Abwesenheit ein Grizzlybär dort eingezogen war, die Polster von den Möbeln und die Bilder von den Wänden gerissen und sämtliche Minimarshmallows aufgefuttert hatte – die für besondere Gelegenheiten ganz oben im Regal über dem Kühlschrank.  
    Dann lächelte Fish plötzlich sein schiefes Lächeln, als würde die Sonne durch die Wolken brechen, und spritzte mit dem Schlauch in meine Richtung. »Na, Mibs, dein letzter Schultag, hm?«  
    »Letzter Tag«, sagte ich und wehrte den Wasserstrahl ab. Dann überließen Samson und ich Fish seiner Arbeit und schlichen uns leise zur Hintertür hinein – in der Hoffnung, oben zu sein, ehe Miss Rosemary uns bemerkte.  
    »Euer Großvater sah müde aus, ich habe ihm gesagt, er soll sich in seinem Zimmer hinlegen und ausruhen«, sagte Miss Rosemary, kaum dass wir in die Küche kamen. Sie stand hoch oben auf der Leiter, bewaffnet mit einer Sprühdose in der einen gummibehandschuhten Hand und einem Lappen in der anderen. Sie nahm die Einmachgläser von den Schränken und wischte mit gerümpfter Nase den Staub ab, während sie auf die verblichenen Etiketten schielte. Mit angehaltenem Atem schaute ich ihr zu und hoffte, dass sie keins der Gläser geöffnet hatte. Niemand, der nicht zur Familie gehörte, durfte diese Gläser anfassen – niemand. »Gypsy hält auch ein Nickerchen«, fuhr Miss Rosemary fort. »Ich erwarte also, dass ihr beide leise seid und sie nicht weckt.«  
    »Ja, Miss Rosemary«, sagten Samson und ich, wobei Samson eigentlich nur die Lippen bewegte.  
    »Eure Mutter hätte mich sofort anrufen sollen, als sie das mit eurem armen Vater erfuhr«, sagte Miss Rosemary und staubte schwungvoll das letzte Glas ab. Zufrieden mit ihrem Werk, drückte sie die Sprühdose und den Lappen an die Brust und schloss die Augen, als würde sie um die Kraft beten, die ganze weite Welt zu wienern. Als sie die Augen wieder öffnete, schaute sie uns ernst und streng an.  
    »Ich hätte früher hier sein sollen«, sagte sie. »Kinder brauchen eine Mutter im Haus.«  

3. Kapitel
     
    Ich wusste, dass Miss Rosemary kein Ersatz für unsere vollkommene Momma war. Ich wusste es bis in die Magengrube und bis in die Zehenspitzen. Mir wurde elend, als Miss Rosemary mit ihrer Sprühdose in den Flur gegenüber der Treppe zeigte und uns mit den Worten entließ: »Ich habe Roberta und Will junior mitgebracht, damit ihr heute Nachmittag Gesellschaft habt. Geht doch mal zu ihnen. Ihr könnt fernsehen. Leise .«  
    »Ja, gut«, murmelte ich, obwohl wir gar keinen Fernseher hatten – Momma und Poppa wollten keine teuren Geräte kaufen, bis sie sichergehen konnten, dass Rocket sie nicht aus Versehen kaputt machte.  
    Samson und ich hatten es eilig, aus der Küche zu kommen, aber wir hatten es nicht so eilig, zu Roberta und Will junior zu gehen, Miss Rosemarys jüngsten Kindern. Der Pastor und seine Frau hatten drei Kinder, aber der älteste Sohn war schon dreißig und arbeitete bei der Landespolizei in Topeka. Von ihm wurde nur selten gesprochen.  
    Roberta – von allen außer ihrer Mutter Bobbi genannt – war sechzehn, und sie war vermutlich nur rübergekommen, weil sie gehofft hatte, Rocket wäre da. Rocket war mit seinen siebzehn Jahren wohl der Typ, in dessen Gegenwart sich kicherige sechzehnjährige Mädchen total albern benahmen, auch wenn er immer so aussah, als hätte er gerade den Finger in eine Steckdose gesteckt.  
    »So
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