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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Autoren: Joy Fraser
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wollte sie den ganzen Nachmittag lesen. Sie öffnete den dicken Umschlag.
    „Für Ann-Isabel, von deinen Eltern (1999)“
    Gespannt schlug sie die erste Seite auf und begann zu lesen.
     
     
     

1
     
    Mexiko 1980
     
    Schon wieder sollte ich in ein Flugzeug steigen. Oh Gott!
    Noch eine halbe Stunde, dann würde der Flug nach Mérida starten. Ich wischte mir die schweißnassen Hände an den kurzen Jeans ab, während ich krampfhaft versuchte den aufkommenden Fluchtimpuls zu unterdrücken.
    Irgendwo hatte ich gelesen, statistisch gesehen steigt die Gefahr eines Absturzes mit jedem Flug. Andererseits wollte ich etwas von der Welt sehen, und die schnellste Möglichkeit dazu war immer noch das Reisen per Flugzeug. Zusammenreißen war angesagt. Nicht gerade eine meiner stärksten Eigenschaften.
    Ich befand mich mit meinen drei besten Freundinnen Anette, Barbara und Karin auf einem kleinen Flughafen in der Nähe von Mexiko City, doch in Gedanken war ich noch immer in der lauten, schmutzigen Millionenstadt, die von Menschenmassen überquoll. Ich dachte immer, ich lebte in einer Großstadt, mit all ihren Nachteilen, doch Frankfurt am Main war eine mittlere Kleinstadt im Vergleich zu dieser Metropole. Froh, aus dem gelblichen Smog herauszukommen, der die Stadt hartnäckig umhüllte, wollten wir von hier aus mit einem Privatflugzeug auf die Halbinsel Yukatan weiterfliegen.
    Es war August, sehr heiß, und die hohe Luftfeuchtigkeit machte uns allen zu schaffen. Wir warteten draußen auf die Maschine, die uns zu den vor Jahren ausgewanderten Verwandten von Karin bringen sollte. Ein leichter Wind machte die Hitze erträglicher. Ich strich mir eine Locke aus dem Gesicht und blickte zu meinen Freundinnen hinüber. Normalerweise hätte ich mit Robert diese Reise unternehmen sollen, doch er hatte sich, wie so oft, nicht von seinen Geschäften losreißen können. Ich rieb meine feuchten Hände aneinander und begann unruhig auf und ab zu gehen. Wäre er doch nur mitgekommen. Wie gern hätte ich mich jetzt von seiner Anwesenheit und vertrauten Nähe beruhigen lassen. Zur Hölle mit seinen Geschäften, warum konnte er mich nicht einmal nach ganz oben auf seine Prioritätenliste setzen? Na prima, jetzt hatte ich mich zusätzlich zur Angst auch noch erfolgreich selbst frustriert.
    Meine Freundinnen hatten am Himmel einen kleinen Punkt entdeckt, der sich als unsere im Anflug befindliche Maschine entpuppte. Man hatte uns versichert, der Pilot kenne sich hier bestens aus und könne auch problemlos an den unwegsamsten Stellen landen, wenn es sein musste. Ich hoffte, es musste nicht sein. Mir war noch übel von dem holprigen Flug mit dem großen Jet. Eine ordentliche Portion Kreislauftropfen, etwas Sekt und die Ablenkungsmanöver meiner Freundinnen hatten mich den Flug mit Anstand überleben lassen.
    „Ach du Schande!“
    Barbara stemmte ihre Hände in die Hüften und blinzelte der Maschine entgegen.
    „Was für ein Miniding! Hast du noch Kotztüten dabei, Isabel?“
    Lachend blickte sie sich nach mir um. Ich saß auf meinem Hartschalenkoffer und hielt mir den Magen.
    „Sei bloß still.“
    Aus dem Augenwinkel beobachtete ich die hüpfende, schlenkernde Landung der Maschine, wovon mir auch nicht eben besser wurde. Der Pilot stieg aus und blickte forschend in unsere Richtung. Ihm würde ich also gleich mein Schicksal anvertrauen. Langes, dunkles Haar zum Pferdeschwanz zurückgebunden, Jeans, T-Shirt und seine gesamte Aufmachung erinnerten an einen übrig gebliebenen Hippie. Ein Messer am Gürtel rundete das Outfit ab. Ich rümpfte die Nase und dachte mir, solche Typen sind für die Erfindung des Wortes Macho verantwortlich.
    „Hallo, hier sind wir“, rief Barbara und winkte ihm zu, obwohl außer uns kein Mensch zu sehen war.
    Der Pilot kam näher, sein Gang sofortige Paarungsbereitschaft signalisierend. Lässig und unwiderstehlich, ganz Abenteuer-Ken, breitschultrig und Seufzer inspirierend, doch eine Spur zu arrogant für meinen Geschmack.
    „Hallo, die Damen. Bereit zum Abflug?“, fragte er in lässigem Englisch. „Na?“ Grinsend deutete er auf mich. „Kotztüten sind nicht im Preis inbegriffen.“
    Frech und mitleidslos kommentierte er meinen Zustand. Einfach empörend! Widerwillig stellte ich fest, dass er eine angenehm tiefe Stimme mit überraschend intensivem Timbre sein Eigen nannte. Ich kramte in meinem Rucksack nach den Reisekaugummis und vermied den Augenkontakt. Sah er denn nicht, wie unwohl ich mich fühlte?
    „Wenn
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