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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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nicht … Erik.« Zum ersten Mal nannte sie ihn bei dem Namen, den sie bislang vermieden hatte. »Womöglich seid Ihr schon mit dieser Verletzung an Bord Eures Schiffs gegangen. Aber vielleicht habt Ihr auch nur ungewöhnlich gutes Heilfleisch.«
    »Heute Nacht sind mir einige flüchtige Erinnerungen gekommen. Aber sie verraten mir nichts über meine Herkunft oder das Geschehen der vorletzten Nacht.«
    Er erzählte ihr, was er sich bislang zusammengereimt hatte. Erwähnte sogar das Bild des Schmiedefeuers.
    »Das passt«, antwortete Brida, während sie den Rest der Salbe einmassierte und die Wunde neu verband. »Ihr wart vornehm gekleidet. Ich habe Marieke gebeten, Eure Kleidung zu waschen und zu flicken. Allerdings befürchte ich, dass sie auch danach nicht mehr viel vom einstigen Glanz zeigen wird.«
    »Das ist mir gleich«, erwiderte er. »Ich stehe ohnehin schon viel zu tief in Eurer Schuld. Ich hoffe, ich kann sie irgendwann begleichen.«
    »Wisst Ihr noch, ob Ihr lesen und schreiben könnt?«
    Vor seinem inneren Auge tauchten Buchstaben auf. Ein Pergament und eine Feder. Endlose Reihen von Zahlen.
    »Ja, das kann ich. Und das Addieren und Subtrahieren beherrsche ich auch.« Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln.
    »Also doch ein Kaufmann.« Sie erwiderte sein Lächeln. »Einer, der seine Ware notfalls auch mit dem Schwert verteidigen kann.«
    »Wenn ich es denn kann«, murmelte er mit Blick auf ihre Hände, die gerade den letzten Knoten in den Verband knüpften. »Mir scheint es eher, als hätte mein Gegner gewonnen.«
    »Glaubt Ihr, dann würdet Ihr noch leben?«
    Eine gute Frage. Er schloss die Augen, versuchte, nur auf seinen Körper zu achten, auf das Zucken der Muskeln im rechten Arm. Hochreißen, Ausfall, Parade, das Geräusch, wenn Metall über Metall schrammt. Eine schnelle Drehung. Verdammt, er ist nicht schnell genug …
    Bevor er die Erinnerung fassen konnte, war sie schon wieder verblasst. Er öffnete die Augen. Sah die Frage in Bridas Gesicht.
    »Ich muss wohl gekämpft haben«, sagte er leise. »Aber ich weiß nicht, mit wem und warum. Nicht einmal, wie es ausgegangen ist.«
    »Ihr habt überlebt. Das ist das Wichtigste.«
    Er nickte schwach.
    »Gestern war der Stadtrat Claas in unserem Haus. Ihr habt schon geschlafen, aber er würde Euch gern kennenlernen. Er will auch herausfinden, zu wem das Siegel gehört.«
    »Ihr gebt Euch sehr viel Mühe, dafür danke ich Euch.«
    »Das klingt aber nicht so, als würdet Ihr Euch freuen. Was geht Euch im Kopf herum?«
    Sie blickte ihn offen und freundlich an.
    »Was ist, wenn sich herausstellt, dass ich tatsächlich Däne bin? Ihr spracht vom Krieg Dänemarks gegen die Hanse.«
    »Das spielt keine Rolle. Ich habe Euch schon einmal versichert, dass hier jeder Gastfreundschaft genießt. Die der Stadt, aber auch die unseres Hauses. Die Zeiten, da Schiffbrüchige als Beute angesehen wurden, sind vorbei. Und außerdem – Stadtrat Claas hätte überhaupt keinen Grund, Euch wegen einer möglichen dänischen Herkunft gram zu sein. Seine Frau ist selbst zur Hälfte Dänin.«
    Ihre Worte waren so aufrichtig wie alles, was sie bislang gesagt hatte. Und doch blieb die Angst. Eine Angst, die er nicht greifen konnte, die ihn aber niemals losließ. Die besagte, es würde etwas Furchtbares geschehen, wenn jemand herausfände, wer er war. Andererseits, was konnte ihm schon widerfahren, wenn er es nüchtern betrachtete? Wenn er ein Deutscher war, war alles in Ordnung. Man würde seine Herkunft ergründen, seine Familie würde seine Retter großzügig entlohnen, und er könnte nach Hause zurückkehren. Wenn er ein Däne war, gäbe es schlimmstenfalls eine Lösegeldforderung, die so hoch wäre, dass sich beide Seiten auf monatelanges Verhandeln einstellen würden. Auch in dem Fall würde er irgendwann unversehrt heimkehren.
    Wovor um alles in der Welt fürchtete er sich dann?
    Ein neues Bild. Ein dunkles Gewölbe. Wasser läuft am rauen Mauerstein hinab, an den Wänden hängen Ketten. Es riecht nach Moder, Fäulnis und Angst. Irgendwo schreit jemand. Ein Schrei, der ihn nie mehr loslassen wird …
    »Was ist mit Euch? Ihr seid blass, als hättet Ihr gerade den Tod erblickt.«
    Bridas Stimme riss ihn zurück in die Wirklichkeit.
    »Ich … ich weiß nicht. Manchmal sehe ich seltsame Bilder.«
    »Was habt Ihr gesehen?«
    Bislang hatte er ihr nichts verschwiegen, ihr alles offenbart, da er ihre aufrechte Gesinnung spürte, ihre Fürsorge und Hilfsbereitschaft. Doch
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