Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schicksalspfad Roman

Schicksalspfad Roman

Titel: Schicksalspfad Roman
Autoren: Catherine Bourne
Vom Netzwerk:
fing Flundern, Blaubarsche und Seebrassen, die er an mehrere Kunden in der Stadt verkaufte. Er trug oft nur düsteres Regenzeug, selbst an sonnigen Tagen, und hatte den Regenhut meist tief über die unheimlichen, unruhigen Augen gezogen. Er wohnte in einem heruntergekommenen Haus am Ufer mit einem Basset namens Duke, den er manchmal mit in die Kneipe brachte, um einen Hamburger mit ihm zu teilen. Wenn man die beiden so sah, wusste man, dass dieser Mann nichts weiter brauchte als eine Angel und einen Hund.

    »He, Captain!«, rief Joanne und hielt ihr Glas hoch.
    Der Captain drehte sich zu ihr um und zog eine Braue hoch. Joanne winkte ihm mit dem leeren Glas in der Hand zu und lächelte ihn an.
    Der Captain warf einen kurzen Blick auf das Schachbrett und begann zu zapfen. Dann brachte er das volle Glas in der sehnigen, festen Hand herüber.
    » Grazie «, sagte Joanna. »Wer liegt denn vorn?«
    »Du«, antwortete der Captain und setzte das Glas vor sie hin.
    »Danke«, erwiderte Joanne und sah dem Captain nach, der wieder zu dem Spielbrett ging. Sie wusste nie genau, ob er Spaß machte oder unhöflich war. Seine Bemerkungen summten immer vor mehrfacher Bedeutung.
    »He, du!«, ertönte eine hohe Stimme. Joanne drehte sich um. Es war Cherry in einer blauen Hose mit einem quietschrosa Hemdchen.
    »Die Südstaatenschönheit«, rief Joanne. »Wie war dein Tag?«
    »Grässlich«, antwortete Cherry und pustete so nach oben, dass eine Strähne ihres blonden Haars hochflog. »Einer meiner Patienten war ein Obdachloser mit Tb.«
    »Diese Typen schieben sie immer den Neulingen zu.«
    »Genau. Ich musste mir eine Maske aufsetzen. Als ich in sein Zelt ging, stank es so sehr, dass ich es kaum beschreiben kann. Es war furchtbar!« Cherry kniff die Nase zusammen. »Als ich heute Abend nach Hause fuhr, habe ich noch drei Obdachlose gesehen. Die hatten vielleicht auch Tb.«
    »Tb or not Tb«, meinte Joanne düster. Das war der älteste Witz aller Zeiten.

    Cherry lachte. Sie lachte immer über Joannes Witze. Nun, vielleicht nicht immer. Als Cherry vor etwa einem Monat einzog, hatte Joanne draußen auf der Terrasse gelegen und sich gesonnt. Ihre großen, nackten Gottesgeschenke von Brüsten hatten in der Sonne geglänzt, während sie mit einem Finger lässig die kleine Tätowierung an ihrer Hüfte streichelte, ein Amor mit seinem Bogen. Cherry war zu ihr gegangen, um sich vorzustellen. »Hi«, hatte sie entschuldigend gesagt. »Ich will nicht stören. Ich bin Cherry Bordeaux.« Joanne hatte nicht einmal die Augen geöffnet. »Bist du ein Porno-Star«, hatte sie gefragt, »oder eine Eiskremsorte?« Sie hatte einen starken New Yorker Akzent. »Nein«, hatte Cherry würdevoll zurückgegeben, »Cherry ist mein Name.«
    Da Joanne zu der Zeit in der Ambulanz arbeitete, war sie Cherry im Krankenhaus nie begegnet. Aber sie hatte am Morgen die Geschichte von Grace gehört - dass Cherrys Wohnsituation in der Stadtmitte unvermutet geendet hatte. Es hatte etwas mit einer verrückten Wohngenossin zu tun und dass Cherry plötzlich mitsamt ihrem Koffer auf der Straße stand. Verzweifelt und voller Angst wollte sie gerade ein Taxi zur Penn Station nehmen, um mit dem Zug nach Hause zurückzufahren, aber dann fiel ihr ein, dass Grace eine dritte Wohngenossin suchte. Sie hatte Grace bei der Arbeit angerufen, und Grace, hilfsbereit wie immer, hatte ihr ausgeholfen.
    Der Captain trat zu ihnen, als er Cherry sah. »Guten Abend«, sagte er mit einer gewissen Höflichkeit, denn Cherry war erst zwei Mal hier gewesen. »Das Übliche?«
    »Ja, bitte«, sagte Cherry. Das Übliche war, wie der Captain sich bei den vorigen Besuchen gemerkt hatte, ein
Blauer Cosmo, ein Drink, den Joanne als Beleidigung für die Schlichtheit von Nightingales empfand. Doch es war lustig, dem Captain zuzusehen, wie er einen so modischen Drink mixte, und Cherry war immer noch naiv genug, zu denken, dass die ungeschickten, übervollen Cocktails des Captains die Raffinesse der New Yorker Cocktailkultur widerspiegelten.
    »Ein großer Blauer«, sagte der Captain mit aufgesetztem Bass. Dann fragte er die Runde: »Wo ist denn Gracie?«
    »Macht heute die Nachtschicht«, antwortete Joanne.
    »Wir haben getauscht«, warf Cherry rasch ein. »Sie tut mir einen Gefallen, weil ich mich morgen mit meiner Tante treffe.«
    Der Captain nickte anerkennend, als würde dieser Beweis für Grace’ elbstlosigkeit ihm etwas bestätigen.
    »Möchten die Damen noch etwas?«, fragte er.
    »Ich bin keine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher