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Schicksal in zarter Hand

Schicksal in zarter Hand

Titel: Schicksal in zarter Hand
Autoren: Michelle Reid
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lieber allein, wenn ihre Welt in Scherben fiel.
    „Leitung drei“, teilte er ihr nur sachlich mit und verließ das Büro.
    Sie wartete, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann atmete sie tief durch und hob mit zitternden Fingern den Telefonhörer ab.
    „Buongiorno“, grüßte sie leise.
    „Das ist kein guter Tag, Alexia“, erwiderte Salvatore Tolle schroff. „Schlechter könnte er kaum sein. Du hast vermutlich gehört, was Franco passiert ist?“
    „Ja.“
    „Dann kann ich mich kurzfassen. Ich habe arrangiert, dass du nach Livorno kommst. In einer Stunde wirst du in deiner Wohnung abgeholt und zum Flughafen gebracht, von wo aus du mit meinem Privatjet nach Pisa fliegst. Dort wirst du in Empfang genommen und zum Krankenhaus begleitet. Nimm deinen Pass mit. Du musst dich ausweisen, um zu Franco gelassen zu werden, also vergiss auf keinen Fall …“
    „Franco lebt?“, unterbrach sie ihren Schwiegervater, wie vor den Kopf gestoßen.
    „Hast du geglaubt, er sei tot? Entschuldige, dass ich dich nicht gleich über seinen Zustand informiert habe“, bat er kurz angebunden. „Bei all dem Chaos habe ich nicht daran gedacht, dass die Informationen im Fernsehen nicht präzise waren. Ja, er lebt, aber er ist schwer verletzt.“
    Lexi hörte Salvatore seufzen, und ihr wurde klar, wie geschockt auch er war. Franco war sein einziges Kind, sein geliebter, völlig verwöhnter Sohn und Erbe.
    „Es tut mir leid, dass du das alles durchmachen musst“, sagte sie aufrichtig.
    „Ich brauche dein Mitgefühl nicht“, erwiderte er scharf.
    Lexi verstand ihn. Er hatte für sie immer nur heftige Abneigung empfunden. Weshalb hätte dieses Gefühl inzwischen nachlassen sollen?
    „Ich erwarte, dass du deine Pflicht tust“, redete er etwas ruhiger weiter. „Du wirst hier gebraucht. Mein Sohn fragt nach dir, also wirst du zu ihm kommen.“
    Zum ersten Mal, seit sie von Francos Unfall gehört hatte, konnte sie einen klaren Gedanken fassen. Es war eine Sache, über sein Schicksal entsetzt zu sein, aber eine ganz andere, ihn zu besuchen.
    „Tut mir leid, das kann ich nicht“, widersprach sie mühsam. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    „Was soll das heißen? Du bist seine Frau. Es ist deine Pflicht, zu ihm zu kommen.“
    „Wir sind so gut wie geschieden“, verbesserte Lexi ihren Schwiegervater rebellisch. „Es tut mir ehrlich leid, dass es Franco so schlecht geht, aber ich gehöre nicht mehr zu seinem Leben.“
    „Wo bleibt dein Mitgefühl, Alexia?“, fragte Salvatore aufgebracht. „Er ist nicht nur schwer verletzt, er hat auch seinen besten Freund verloren.“
    „Marco ist also tot“, sagte sie leise.
    Ihr war eiskalt, als sie in den grauen Himmel vor ihrem Bürofenster blickte und vor dem inneren Auge Marco sah, blond, blauäugig und übers ganze Gesicht strahlend. Er war immer gut gelaunt und fröhlich gewesen. Ja, er hatte ein sonniges Gemüt, wie man so schön sagte. Nie hatte er jemandem etwas zuleide getan. Nun gab es ihn nicht mehr. Das war so unfair!
    Eine Faust schien ihr das Herz zusammenzupressen.
    Wie sollte Franco ohne seinen besten Freund auskommen? Franco war immer der Führende gewesen, Marco derjenige, der sich anschloss. Schon deshalb, wie er ihr einmal gestanden hatte, weil er faul war und es ihm leichter fiel, sich einem Stärkeren unterzuordnen, als sich gegen ihn zu behaupten.
    Wie sie Franco kannte, würde er sich die Schuld an allem geben. Daran, dass er Marco mit der Lust aufs Risiko angesteckt hatte. Daran, dass es Marco nun nicht mehr gab.
    „Das tut mir so leid“, flüsterte Lexi.
    „Gut zu wissen, dass du nicht ganz herzlos bist“, meinte Salvatore zynisch. „Und, wie ist es nun: Kommst du zu Franco?“
    „Ja“, antwortete sie, diesmal ohne zu zögern.
    Egal, wie verbittert sie war, wenn es um Franco ging – dass er seinen besten Freund verloren hatte, änderte alles. Der eine ohne den anderen … das war so unvorstellbar wie der Tag ohne die Nacht.
    Salvatore verabschiedete sich, nach wie vor kurz angebunden, und sie legte auf.
    Tränen brannten ihr in den Augen. Sie konnte nicht sagen, ob vor Erleichterung, dass Franco lebte, oder vor Kummer, weil Marco tot war.
    „Tolle lebt also“, erklang es von der Tür her.
    Lexi wirbelte herum und nickte Bruce zu, der so leise hereingekommen war, dass sie ihn nicht gehört hatte.
    Er schnitt eine Grimasse. „Dachte ich es mir doch, dass er mal wieder Glück hatte.“
    „Bestenfalls Glück im Unglück“, konterte sie heftig.
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